1885 -
Heilbronn
: Henninger
- Autor: Egelhaaf, Gottlob
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
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I. Periode.
werden müssen. Die Aufzählung der zahlreichen Meinungsverschiedenheiten in dem Christentum der ersten Jahrhunderte gehört in die Kirchen- und Dogmengeschichte. Hier erwähnen wir nur zweierlei. 1) Die sogenannte Gnostik, eine Richtung, welche die christliche Lehre mit philosophischen Ideeen, oft höchst phantastischer Natur, durchdrang und so die wahre „Erkenntnis“ (dies bedeutet das Wort Gnosis, yv&oig) zu besitzen meinte; vor allem verfocht die Gnostik den Satz, dafs Gott und Welt, Geist und Materie grundverschieden seien, dafs sie sich also nicht durchdringen könnten und folglich Jesus, als Gottes Sohn, unmöglich wahrer Mensch gewesen sein könne. Die Gnostik blühte um 200 nach Chr. und wurde durch christliche Schriftsteller („Kirchenväter“) wie Irenäos, Tertulliänus u. a. am Ende aus dem Felde geschlagen. 2) Während die Gnostiker die Person Christi möglichst zu erhöhen trachteten, lehrte Arios, ein Presbyter (Kirchenältester) zu Alexandria, dafs Christus nicht wesensgleich (ö/noovoiog) mit Gott dem Vater sei, sondern nur wesensähnlich (öfioiovoiog) und dafs er nicht von Ewigkeit her existiere („es gab eine Zeit, da er nicht war“), sondern ein Geschöpf Gottes sei. Dem Arios trat sein Amtsgenosse Atha-näsios auf dem ersten „ökumenischen“, d. h. allgemeinen Konzil zu Nikäa in Bithynien entgegen, wo unter Vorsitz des Kaisers Constantinus 318 Bischöfe über diese Frage berieten, und setzte den Beschlufs durch: dafs Christus dem Vater wesensgleich sei (325). Aber erst allmählich siegte die athanasianische oder katholische (d. h. allgemeine) oder auch orthodoxe (d. h. rechtgläubige) Lehre über die „Häresie“ (= Ketzerei) der Arianer. Namentlich bei den auf römischem Boden sich ansiedelnden Ger-menenstämmen fafste der Arianismus fast allgemein Wurzel und erst gegen das Jahr 600 entsagten ihm seine letzten Anhänger, die Langobarden in Italien und die Westgoten in Spanien, und nahmen die katholische Lehre von der Dreieinigkeit (Trinität) der Gottheit an, wonach in derselben Gott der Vater, Gott der Sohn und der heilige Geist befafst und „diese drei eins sind“.
c. Im Anfang gab es unter den Christen keinen Unterschied zwischen Priestern und Nichtpriestern; es bestand das „gemeinsame Priestertum“ aller Gläubigen, und als Lehrer trat jeder auf, welcher die „Gnadengabe“ zu lehren in sich zu tragen glaubte. Aber je mehr sich die Christen vermehrten, desto notwendiger wurde auch ein leitendes und zusammenhaltendes Element; und