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1. Lehr- und Lernbüchlein für den ersten Geschichtsunterricht - S. 14

1895 - Harburg a. d. Elbe : Elkan
— 14 — 9. Hermann Liuing. Um das Jahr 940 nach Christi Geburt hütete eines Tages Hermann, der dreizehnjährige Sohn des Billing, in der Nähe von Stübeckshorn auf einer Legde (brach liegendes und für einige Jahre als Weide benutztes Ackerland) die Rinderherde seines Vaters. Da bemerkte er in der Ferne Staub aufwirbeln und durch diesen Speere und Schilde blitzen. Der Knabe eilte dem Zuge gewappneter Reiter entgegen und sah mit Freude und Lust die blanken Helme und Harnische in der Sonne glitzern. Immer näher kam der prächtige Zug. Doch, was ist das? Plötzlich biegen die Reiter vom Wege ab und reiten quer über das bestellte Ackerfeld. Das ist denn doch zu arg, das Feld gehört seinem Vater und ist doch keine Straße! Schnell entschlossen springt er den Reitern entgegen, vertritt ihnen den Weg und ruft: „Ihr Herren, dies ist Ackerfeld, mit vielem, saurem Schweiß bestellt; dorthin zieht eure Straße!" Der an der Spitze des Zuges reitende Held mit goldigem Lockenhaar sieht den Knaben erst ganz verwundert an, der es wagt, ihm den Weg zu vertreten. Er freut sich über den mutigen Jungen, der ihm furchtlos ins Antlitz schaut, und fragt: „Wer bist du, Knabe?" Dieser antwortet: „Ich heiße Hermann und bin des Billings ältester Sohn; dies hier ist meines Vaters Acker, und ich leide nicht, daß ihr hinüberreitet." „Und wenn ich's nun doch will, Knabe!" entgegnet der Ritter mit drohendem Ernste. „Gehe mir aus dem Wege, oder ich stoße dich mit meinem Speere nieder." Doch furchtlos bleibt der Knabe stehen, sieht den Ritter mit blitzenden Angen an und spricht: „Recht muß Recht bleiben; ich leibe nicht, daß ihr über diesen Acker ziehet, ihr reitet denn über mich weg." „Knabe, was verstehst du von Recht!" spricht der Ritter. Hermann antwortete: „ Mein Vater ist der Billing, ich werde es nach ihm, und vor einem Billing darf niemand das Gesetz verletzen." Mit ernstem Blick ruft jetzt der Ritter: „Knabe, ist denn das Recht, wenn du deinem Könige den Gehorsam verweigerst? Ich bin Otto, dein König und Herr." Betroffen schaut der Knabe den Sprecher an; doch nach einer Weile erwidert er: „Laß dein frevelnd Scherzen! Du bist nicht Otto, Heinrichs des Sachsen Sohn, der jederzeit das Recht schützt, wie mein Vater sagt, du brichst das Recht." Kaum hat er geendet, so sprengen gleich einige Reiter aus der Begleitung des Kaisers vor, das kühne Wort zu rächen. Der Kaiser aber winkt und spricht: „Wann wehrt' ich euch, dem Recht das Wort zu sprechen? Er hat's gethan." Zu dem Knaben sagte Otto hierauf mild und freundlich: „Führe mich, braver Knabe, zu deinem Vater!" „Dort am grünen Hag ist meines Vaters Hof, ihr könnt das Haus schon sehen", sagte Hermann, „ich kann euch nicht begleiten; denn ich muß hier bei der Herde bleiben, die mir mein Vater anvertraut hat. Seid ihr aber Otto, unser guter König, so kehret um und reitet auf der Straße weiter; denn der edeldenkende König Otto schützt das Recht." Und Otto der Große, er wendet sein Roß und reitet zur Straße zurück.
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