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1. Das Mittelalter - S. 17

1912 - Nürnberg : Korn
— 17 — häßliche Nase war lang und dick, der Mund weit, das Unterkiefer vorgeschoben. Das war Varns, der neue Statthalter. Aber die Leute zu beiden Seiten des Weges blickten nicht auf ihn, sondern flüsternd deuteten sie auf die sechs Soldaten hinter ihm, die etwas besonders Schreckhaftes trugen. Jeder trug über der Schulter an einem Stab ein dickes Bündel Ruten, zwischen denen scharf geschliffene Beile hervorblitzten. „O Gott, der kommt wie ein Scharfrichter!" raunte der Häuptling Armin zu und ging dem Statthalter entgegen. Varns glitt schwerfällig vom Pferde und machte ein paar Schritte auf das Haus zu. „Frag, wer der Häuptling ist!" sagte er zu seinem Dolmetscher. Dann schüttelte er dem Häuptling die Hand und sprach: „Ich bin Varns, der Vetter des Kaisers; ich bin gekommen, dir zu sagen, was wir brauchen: 30 Stücke Tuch, wie es eure Weiber weben; außerdem hat der Gau zu liefern 100 fette Rinder, 100 Rindshäute zu Leder, 50 Säcke Haber, 50 Fuder Heu und 50 Fuhren Stroh. Alles innerhalb einer Woche. In deinem Dorfe werde ich heute mit der Lieferung anfangen lassen." Der Häuptling war blaß geworden. „Herr Statthalter, das geht nicht, wir sind arme Leute!" antwortete er. — „Wer sich widersetzt, der hat es mit denen dort zu tun," antwortete Varns und wies mit der fleischigen Hand zurück auf die sechs Soldaten mit den Rutenbündeln. „Die Beile sind frisch geschliffen und die Stöcke reichen für den ganzen Gau." — Ein Murren ging durch die Umstehenden, um das sich aber Varus nicht zu kümmern schien. „Was gibt's zu essen und zu trinken?" fragte er lachend; „eure rauhen Winde machen hungrig und durstig." Er gab seinen Offizieren ein paar Befehle in lateinischer Sprache und schritt auf das Haus des Häuptlings zu. Armin stand in der Nähe und horchte; dem Statthalter war das nicht entgangen. „Verstehst du unsere Sprache?" fragte er ihn verwundert auf lateinisch. „Ich habe sie in Rom gelernt," gab Armin zur Antwort. — „Du hast gedient?" — „Ja, mein Bruder dient noch jetzt im römischen Heere." — „Hast du dich ausgezeichnet?" — Armin hielt ihm die Hand hin, an der ein goldener Ring funkelte. „Diesen Ring gab mir der Kaiser, als er „mich zum römischen Ritter machte." — „Wie heißt du?" — „Armin, Sohn des Fürsten Sigimer im Cheruskerland." — „Sigimer, richtig! den kenne ich!" — Varus betrachtete mit Wohlgefallen den schönen, hochgewachsenen Mann, der stolz vor ihm stand und ihn aus blauen Augen furchtlos anblickte. — „Ich hoffe, daß du öfter zu meiner Tafel kommst. Ich sehe es nicht gern, wenn ein deutscher Fürst, der römischer Ritter ist, sich von meinem Zelte fernhält und wieder verbauert," sagte er freundlich. Scheiblhuber, Deutsche Geschichte. I. Band. 3. Auflage. 2
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