Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Das Mittelalter - S. 100

1912 - Nürnberg : Korn
- 100 — Noch war der Gottesdienst, den ein römischer Priester hielt, nicht zu Ende. Die deutschen Mönche lauschten auf die zarten Stimmen der italienischen Sänger. Besonders neugierig aber betrachteten sie ein großes viereckiges Gerät mit vielen großen Tasten, die fast handbreit waren. Ein schwarzhaariger Mönch saß davor und schlug abwechselnd mit beiden Händen auf die Tasten. „Was haben die Römer da für ein Ding, das singen kann wie ein Mensch?" fragte ein deutscher Mönch leise seinen Abt, der schon viel in Italien herumgekommen war. „Das ist eine Orgel," antwortete der Abt. Da sprach der Mönch: „Herr Abt, oft sind im kalten Winter unsere Kehlen heiser; kauft auch ein solches Ding, das uns daheim im Kloster singen hilft!" Jetzt trat ein fränkischer Bischof an den Altar und begann den Gottesdienst. Die fränkischen Mönche stellten sich um ihren Chormeister, der ihnen leise zuflüsterte: „Machts heute so gut ihr könnt! Dort stehen noch die italienischen Sänger und horchen zu." Und die fränkischen Mönche ließen ihre tiefen, rauhen Stimmen erschallen, daß es mächtig von der Decke widerhallte. Als nun Karl mit den Seinigen mittags beim Mahle saß, begann an einem Tische der Streit zwischen den Franken und Römern aufs Neue. „Ich bleibe dabei, wir singen besser als ihr und brauchen keine Orgel dazu!" rief der deutsche Abt. Der Römer aber blinzelte seinen Tischnachbarn zu und sagte: „Ich habe selbst zugehorcht; ihr habt heute trefflich gesungen. Wir fingen die Kirchengesänge richtig, wie es uns der Papst gelehrt hat, ihr aber singt falsch, weil ihr ungebildete Deutsche seid." Da ließ der Abt sein Gesangbuch holen und zeigte mit dem Finger darauf. „So singen wir, wie es hier im Buche steht," sagte er. Der Römer blätterte darin herum, schüttelte den Kopf und sprach: „Wie solltet ihr richtig singen können? In euren Büchern steht's ja falsch!" Jetzt wurde der Streit so heftig, daß Karl aufstand und an den Tisch trat. Der Abt erhob sich und erzählte den Fall. Da sprach Karl zu seinen Sängern: „Sagt offen, wo ist das Wasser reiner und besser, an der Quelle, wo es frisch aus der Erde strömt, oder im Bache, wo es schon lang gelaufen ist?" Die Deutschen sprachen: „Art der Quelle. Die Quelle ist rein, der Bach aber wird immer trüber." — „Ihr habt recht geantwortet," antwortete Karl. „Darum geht zurück zur Quelle, die Italiener singen richtig; ihr aber habt den Kirchengesang verdorben." Da sprach der Abt: „Laß uns richtige Bücher geben, damit wir richtig singen lernen!" Als nun Karl heimreiste, gab ihm der Papst zwei römische Sänger mit und Gesangbücher. Zuhause sandte Karl Boten an alle Bischöfe und Äbte, damit sie ihre Gesangbücher nach Aachen schickten. Dort wurden die Bücher von den beiden italienischen Sängern verbessert. Auch ließ
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer