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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 96

1906 - München : Oldenbourg
96 22. Kloster Ettal und der Pfaffenwinkel. schießen, Birschen, Beizen und Jagen üben durften, so waren sie nicht minder-geistlicher Zucht unterworfen. Jeglicher hatte die Pflicht bei der Frühmette und bei allen Tageszeiten des Chores in der Kirche zu erscheinen und fünfmal im Jahre „unsers Herrn Leichnamen" zu empfangen. Kein Glücksspiel war erlaubt, „weder Wurfzabel uoch kheiu ander Spiel umb Gelt". Trunkenheit und wüstes Leben waren höchlich verpönt, bei Tische herrschte lautlose Stille, die nur des Vorlesers Stimme unterbrach, der in deutscher Sprache etwas berichten mußte „daz gütlich sei". Die Kinder, welche auf der Hofstatt geboren wurden, durften nur 3 Jahre bei ihren Eltern weilen, „nit länger", dann mußten sie auswärts in Pflege kommen. Die Ritter verpflichteten sich in ihrer Kleidung keine anderen Farben zu tragen denn blau und grau, die Frauen nur blan. Also war des Stiftes Leben geordnet bis zum kleinsten herab. Welchen Idealen wollte der Kaiser in dieser eigenartigen Stiftung feste Gestaltung verleihen? War es wirklich seine Absicht in der einsamen Bergeswildnis einen Gralstempel erstehen zu lassen? Sicherlich lebte noch in Ludwigs Brust die Erinnerung fort an den „Parzival" des Dichters Wolfram von Eschenbach, der ja selbst ein Ritter aus Bayerland gewesen, wohl mag auch er, gleich seinen Zeitgenossen, dieses hohe Lied des Rittertums wertgehalten haben, dessen bestrickender mystischer Zauber uns modernen Menschen durch die Werke des tongewaltigen Meisters von Bayreuth, durch „Lohengrin" und „Parsival" wieder so nahe gerückt worden ist und dessen geistigen Mittelpunkt der Gral und der Berg der Erlösung Murtsalväsche1) bilden. Der Gral, jene wuudersame Schüssel, welche Christi Hand beim Abendmahle berührte, in der Joseph von Arimathüa das Blut des Erlösers aufgefangen und zu der alljährlich vom Himmel eine Taube herniederstieg um ihre Wunderkraft neu zu stärken, die hochragende Heilsburg Munsalväsche mit ihrem weithinleuchtenden Tempel, wo die Templeisen des heiligen Hortes warten, ein auserwählter Kreis von geistlichen Rittern, welche aller weltlichen Minne entsagt haben und denen in keuscher Gemeinschaft eine Schar von edlen Jungfrauen und von Priestern zugesellt ist. Unwillkürlich schweifen unsere Gedanken in *) „Man darf mit Sicherheit annehmen, daß der Gedanke ein ,Monsalwcitsch* zu gründen schon in der Jugendzeit des hochgemuten Kaisers entstand, als ihn die Kenntnisnahme von Parzival und der Gralsage begeistert hatte, daß aber die poetische Idee erst auf seinem Römerzuge zur Reife gedieh, als er unter vielen anderen Baptisterialbauten namentlich die glänzenden Bauschöpfungen der Ghibellinenstadt Pisa kennen lernte. Die näheren Umstände der Gründung sind legendarisch, geradezu rührend aber ist die Sage, wonach der gebannte Kaiser das marmorne Weihebild, wohl ein piionisches Werk, auf dem Sattelbogen durch Oberitalien und Tirol herausbrachte und auf dem langen Wege den Plan der zwölfeckigen Rotunde ersann. Er scheint sich demnach, wie fünf Jahrhunderte später Kronprinz Ludwig in Tilsit, auch in schwerbedrängter Zeit mit Fragen der Kunst beschäftigt zu haben." Franz V. Reber, „Die Anfänge der Kunstpflege des Wittelsbachischeu Hauses." 1901.
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