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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 143

1906 - München : Oldenbourg
29. Albrecht Dürer. 143 Hand in Hand mit der Entwicklung der Raumdarstellung ging auch der Fortschritt in der Anatomie. Auch hier finden wir bei Dürer im Vergleich zu seinen Vorläufern den Übergang vom unsicheren Tasten zum bewußten Können. Dürer war der erste deutsche Künstler, der sich — wieder an der Hand italienischer Lehrer — eingehend mit dem Bau des menschlichen Körpers beschäftigt und hierzu eiue Reihe vou Studien gezeichnet hat. So gut wie der Körper-selbst beschäftigte ihn auch die Kleidung, wie uns ebenfalls eine große Zahl von Zeichnungen beweist. So war er von allen deutschen Künstlern zuerst imstande eine Figur richtig darzustellen, wenigstens so lange es sich um einfache, ruhige Stellungen handelte. Allzu erregte und verwickelte Bewegungen, wie sie spätere Virtuosen liebten, hätte er wohl noch nicht zuwege gebracht. Allein von diesen hielt ihn schon seine ganze Kunstweise fern. Überhaupt ist die Bewegung ein Gebiet, das besonders besprochen sein will; es fällt durchaus nicht immer mit der Anatomie zusammen. Hundertfünfzig Jahre vor Dürer zeichneten französische Miniatoren die überzierlichen, gesuchten Modebewegnngen der damaligen Stutzer und Damen mit fabelhaftem Geschick ohne jede Kenntnis der Anatomie. Die Art, wie ein Bein über das andere geschlagen, ein Handgelenk abgebogen, ein Finger ausgespreizt wird, ist charakteristisch wiedergegeben, das Bein aber oder die Hand selbst sehr oft verzeichnet. Später strebte man mehr nach richtiger Form, die Feinheit der Bewegung wurde darüber vergessen. So ist es auch bei Dürer: ich muß hier gerade auf den schwächsten Pnnkt unseres Künstlers hinweisen. Feinheiten der Bewegung konnte Dürer nie beobachten. Sehen wir die Hände Josephs an! Wohl sind sie trefflich gezeichnet, aber kein Zug deutet uns an, ob die Axt eben gehoben werden soll oder der Schlag gerade zu Eude ist; man glaubt, sie verharrten ruhig in dieser Stellung. Auch von den Händen Marias mit Faden und Spindel gilt dasselbe. Trefflich in dieser Hinsicht sind nur die Engel im Vordergründe, namentlich jener, der eben Holzabsülle am Boden zusammenrecht. Der Mangel in der Bewegung bei Dürer ist gerade die Ursache, warum so vielen seine Figuren steif und hölzeru erscheinen. Wollen wir einen Künstler kennen lernen, so müssen wir auch seine Fehler erkennen. Sind wir uns aber über dieselben einmal klar geworden, dann können wir über sie hinwegsehen, wir können dann hier trotz der mißlungenen Bewegungen die kraftvolle Zeichnung und den wundervollen Ausdruck der Gestalten vollauf würdigen und genießen. Zum Schluß muß ich noch ein Gebiet in Dürers Kunst erwähnen, ohne das ihr Bild nicht vollständig wäre: die Ornamentik. Denn auch hier war Dürer in gewissem Sinne ein Bahnbrecher; er war einer der ersten, der das Ornament der italienischen Renaissance in Deutschland eingeführt hat. Freilich hat er sich nie so eingehend damit beschäftigt wie seine Augsburger Zeitgenossen oder seine Nachfolger in Nürnberg. Es interessierte ihn nur gelegentlich zur Ausschmücknng seiner Darstellungen, vor allem der Gebäude; nur in
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