Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 265

1906 - München : Oldenbourg
49. Elisabeth Charlotte. 265 kommen wir an die Schranke biefer Natur: Nur das absolut Menschliche ist für ihren Gesichtskreis vorhanden. Sobald etwas abstrakt wirb — und alle Weltpolitik ist boch schließlich eilt kombinatorisches Spiel mit abstrakten Großen — ist es für die Liselotte einfach nicht mehr ba. Daher dann durch beu ganzen Verlauf ihrer zahllosen Briefe hindurch die merkwürbige Erscheinung, daß diese von einem leibenschastlichen, beinahe elementaren Gefühl für ihre bentfche Heimat erfüllte Frau für Deutschlaub als Politischen Begriff keine Spnr von Verständnis zeigt. Heimat fühlt man — Vaterlanb muß man benken können, und was Liselotte nicht fühlt, kann sie auch nicht beukeu. Wenn sie Nachrichten bekommt über die Verwüstung der Psalz, die Zerstörung Heibelbergs, wacht sie zur Nacht im Bette vom Schlafe auf und kann vor Weinen nicht wieber einschlafen — wenn sie von den Kriegen Frankreichs mit dem Deutschen Reich, vom Raube Straßbnrgs hört, steht sie wie eine unbeteiligte Zuschauerin zur Seite. Ist das ein Mangel? Jedett-salls ist es bentsch, typisch beutsch, und bies eben, daß uns die Eigenschaften der deutschen Art in dieser Tochter ihres Landes mit einer Unmittelbarkeit, Naivität und Haubgreislichkeit entgegentreten, daß man von ihr wie von einem aufgeschlagenen Buche alle Vorzüge und alle Mängel der deutschen Natur ablesen sann, das macht uns Deutschen die Gestalt biefer unserer Elisabeth Charlotte, genannt Liselotte, zu einem bleibenben Wertstück für alle Zeiten. Und einer solchen Frau mußte es befchieben sein, daß eine Ehe, in die sie „wider Willen und aus purem Gehorsam" gegangen war, dazu benutzt wurde, ihre unschuldsvolle Person zur Brandfackel zu machen, mit der man ihre Heimat und das Hans, in dem sie geboren war, in Asche legte; bettn als mit Karl Lubwigs Sohne Karl der Mannesstamm von Psalz-Simmern 1685 erlosch und die Linie Pfalz-Neuburg die Herrschaft über die Pfalz antrat, benutzte Ludwig Xiv., der inzwischen die Politik der Reunionskammern begonnen hatte, die von ihm behaupteten, in Wahrheit gar nicht tiorhembenen Erban-sprüche seiner Schwägerin Elisabeth Charlotte um seinerseits Rechte auf die Pfalz geltenb zu machen. Tränen und Beteuerungen Liselottes, daß sie nicht betrau bettfe Ansprüche zu erheben, gingen natürlich an bett Ohren eines Louvois, der die Seele all biefer Dinge war, wie ein Vogelgezwitscher vorüber. Karl Ludwig aber, ihr Vater, der über die oben erwähnten Plünderungen Turennes so außer sich geraten war, daß.er an diesen geschrieben und ihn, „weil er ohne ebenbürtiges Heer kein anberes Mittel der Rache ober Genugtuung durch eigene Hand habe", persönlich zum Zweikampfe geforbert hatte, legte sich mit dem verzweifelten Gefühl, daß feine Lebensarbeit und die Aufopferung feines Kindes eine vergebliche gewesen, am 28. August 1680 zum Sterben. Das Haus Karl Ludwigs aber, das Hans, in dem Liselotte geboren worden war, was wurde aus ihm?
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer