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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 267

1906 - München : Oldenbourg
49. Elisabeth Charlotte. 267 alsdann die französische Besatzung des Schlosses marschfertig auf dem Schloßhof. Zwei Signalschüsfe ertönten, der Artilleriekommandant erschien, ließ seine Leute Pechkrünze und Fackeln aufnehmen und Feuer in die Paläste werfen. Nach einer halben Stunde stand alles in Flammen und als die Dachgiebel niederkrachten, zog die Besatzung über Altan und Burgweg eilend davon. Einige Minierer blieben zurück, die den „Dicken Turm" und den „Krantturm" in Stücke sprengten. „Solcher Gestalt ist das uralte, maguifique, in und außer Deutschland berühmte kurfürstliche Resideuz-Schloß innerhalb eines Vormittags mit allem, so noch hin und wieder in den Gemächern befunden, bis auf die unteren Gewölbe und Keller abgebrannt und großenteils zu einem Aschen- und Steinhaufen geworden." So lautete der offizielle Bericht der kurfürstlichen Beamten an den Kurfürsten. Doch nehmen wir Abschied von der altehrwürdigen Stätte, Abschied von Liselotte und kehren wir zurück in ihren Heidelberger Wald! Den Weg, den wir gekommen sind, steigen wir wieder hinunter, vom Bergwalde zur Stadt. Wieder überschreiten wir den Neckar, abermals stehen wir auf dem Philosophenwege und noch einmal geht unser Blick zu dem rotbraunen Trümmerpalaste hinüber, der sich über der grauen Stadt erhebt. Wie schön er ist! Mit seinen zerfetzten Mauern, seinen enthaupteten und zerspreugteu Türmen, seinen ausgeweideten Palästen, wie schön! Wie ein in Stein gehauener Klagegesang, der jeden Morgen von neuem anhebt und mit dumpfer Mahnung hinuntertönt in die lachende Landschaft: „Vergeßt nicht, daß alles Schönste und Größte dem Menschen nur so lange gehört, als die Größe in seiner Seele im Verhältnis bleibt zu dem, was er besitzt!" Die Heidelberger Schloßruine in ihrer gegenwärtigen Gestalt ist etwas in der Welt absolut Einziges. Wer sie auch nur ein einziges Mal mit Augen angeschaut, wer gesehen hat, wie sich das rot-braune Getrümmer in die Arme der umgebenden Waldungen einbettet und einschmiegt, wie das Grün der Bäume aus dem Tale heraufsteigt und das Grün des Efeus an den Mauern emporklimmt, als wollte es all die alten, immer noch schmerzenden Wunden und Spalten mit tröstender, kühlender Hand verhüllen und bedecken, der weiß, daß durch das Zusammenwirken geschichtlicher Ereignisse und nie aufhörender, triebkräftiger Natur ein Schönheitsbild entstanden ist, wie es eigenartiger nicht gedacht, geschweige denn nachgelassen werden könnte. Es muß einmal ausgesprochen werden, was gar nicht allgemein genug bekannt ist, daß die jetzige Schloßruine zehntausendmal schöner ist als es das alte, nicht zerstörte Schloß war. Wer diesem Worte nicht glaubt, der sehe sich den Merianschen Stich ans dem 17. Jahrhundert an, wo das alte Schloß klassisch treu in seiner unangerührten Gestalt dargestellt ist. Alles, was heute in den freistehenden Mauern wundervoll lustig und leicht emporsteigt, war
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