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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 337

1906 - München : Oldenbourg
63. Ein Urteil über den bayerischen Volkscharakler. 337 die Erzählung. Das sind denn aber Schwärmereien, wird mancher kalte Leser sich denken und ich kenne den gewöhnlichen, oft gefährlichen Einfluß derselben so gut wie jeder, der das mir einwenden kann; aber ich weiß auch, daß zu dieser Schwärmerei eine Stärke der Einbildungskraft und Nerven gehören, die mancher Nation (man muß auch darum ihre Nüchternheit nicht eine geläuterte Denkungsart nennen) versagt worden ist. Ich für meinen Teil halte nichts auf den Menschen, der keinen Hang dazu hat, und wer am Abende zittert, weil er den abgeschiedenen Freund kalt an seiner Seite zu fühlen glaubt, ist mir als Freund, als Gelehrter, als Vater, als Beamter, als Soldat millionen-mal lieber, als wer des Verstorbenen sich erinnern und kaltblütig sprechen kann: hin ist hin! Und tot ist tot! Und so behandeln die Bayern mit hartnäckiger Leidenschaft jeden wichtigen Gegenstand und wo sie einmal mit ihrer Seele an etwas hängen, davon wird nur der Tod sie entfernen. Mit Enthusiasmus handelt der Bayer beim Aufgebote zum Kriege und beim Rufe des Vaterlandes. Nirgends kann vielleicht ein Fürst besser ver- sichert sein, daß er aufrichtig und inwendig geliebt werde, wie von den Bayern, und in dem allemal unglücklichen Falle, daß er genötigt wird sie ins Feld zu rufen, so rasen sie, ohne, wenn ich so sagen darf, sich um Zelt und Säbel zu bekümmern, von Norden und Süden und von Osten und Westen auf und glauben den Feind, wenn sie ihn nur einmal sehen sollten, mit den Händen erschlagen zu können. Eine Beschäftigung, die so wie der Krieg unterhält und ermüdet, scheint ihm notwendig zu sein und in Ruhe und Untätigkeit würde manche Seuche sich ausbreiten. Wenn ein Bayer etwas Vortreffliches zustande bringt, so sehen es die andern an und „es ist schon gut gemacht" sagen sie, gehen davon und lassen sich nicht einfallen aus dem Manne mehr als aus sich selbst zu machen. Niemals wird ein wahrer Bayer sich selbst loben und seine Verdienste herausstreichen. Es gibt keinen auffallenderen Kontrast als etwa einen ausländischen Maler, dessen Hauch aus dem Munde und dessen erstes und letztes Wort eine unsinnige Prahlerei und Erhebung seiner selbst ist, und einen in seine eigene Größe verhüllten, schweigenden Bayern zu sehen. Und wenn nicht Fremde kommen, die den Gelehrten und den Künstler bekannt machen, die Inländer werden es der Welt selten sagen, daß er vorhanden sei. Ich finde in diesem Betragen, das den Bayern keineswegs den Mut benimmt, sehr viel Großes, zumal da die Menschen, die gar zu gerne viel Rühmliches von sich sprechen hören, nicht allemal viel Rühmliches ausüben. Was bei den Bayern entsteht, das entsteht ans innerem Triebe, entsteht ans Liebe zur Sache. ftronseber, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 22
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