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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 491

1906 - München : Oldenbourg
103. Eine Fußreise mit König Max Ii. 491 Der König, schon mit einem Fuße auf dem Steg, stutzte, sah den Sprecher lächelnd an und sagte: „Sie haben recht!" und kehrte augenblicklich um. Wir lagerten nus ein paar Schritte seitab unter einer Buche, durch deren grünes Gezweig Graf Pappenheim unsere zusammengesteckten Plaids ganz malerisch zu einer Art schattenden Baldachins schlang, und frühstückten aus der Faust, was wir eben mitgebracht hatten, bei heiterem Plaudern. Ich konnte aber in nachklingendem Eindruck der Szene am Steg den freundlichen Herrn, der feine Erdbeeren verzehrte, nicht ansehen ohne zu denken: Das ist ein wirklicher König! Und die mit Stecknadeln zusammengehefteten Plaids waren so gut ein Thronhimmel wie irgend ein anderer von Sammet und Goldstosf. Nach den Lebensjahren war der König keineswegs der Jüngste unter uns, aber in einem Stücke fühlte er jugendlicher als wir alle: er hatte sich eine Begeisterung für die reine Naturschönheit, für die landschaftliche Poesie bewahrt, wie sie nur dem Jünglingsalter eigen zu fein pflegt. Sonst ein durchaus moderner Mensch, erschien er in dem seinen Auskosten der Lyrik eines anmutigen Naturbildes fast wie ein Zeitgenosse Höltys ober besser Hölderlins. Denn er liebte es, gleich letzterem, den sinnlich reizenden Eindruck durch Gedankenbilder zu beseelen. Wie häufig sahen wir ihn mit dem Buche in der Hand unter einem Baume rasten, indes er wechselnd in der Landschaft schwelgte und stimmungsverwandte Verse las! Bei einem Abendspaziergang im Nymphenburger Park führte er mich einmal — es war lange vor unserer Gebirgsreife — zu einer mit dichtem Gehölz bedeckten Insel, welche in einem Kanal zwischen den verwachsenen Ufern gar lauschig versteckt liegt, und erzählte mir, die stille Schönheit dieses Eilandes habe ihn als Knaben zu seinem ersten Gedicht verlockt. Damals fei ihm nämlich der unwiderstehliche Wunsch erwacht die Insel souverän zu besitzen und er habe sich dann Besitz und Herrschaft in Versen von feinem Vater erbeten. Der König wie der Poet war zugleich in ihm geweckt worden durch die schöne Natur. Ob ihm der Vater die Bitte gewährte? Ich entsinne mich dessen nicht mehr. Aber was der Prinz als Knabe gewünscht, das schuf er sich in späteren Jahren doch, geraume Zeit bevor er den Thron bestieg: Hohenschwangau wart) dem jungen Manne die Verwirklichung jenes kindlichen Wunsches, der freie, fürstliche Herrfcherfitz in der einsamen Hochgebirgsnatur. Wir rasteten auf unserer Reife einige Tage auf dieser reizenden Burg. Als ich mit dem Könige eine Rundfahrt durch die nächste Umgebung Hohenschwangaus machte, gestand er freilich, daß er dem einsamen Asyle neuerdings etwas untreu geworden sei: „Die Waldstille," so etwa sagte er, „zog mich hieher, ich suchte die schweigende, von Menschen unberührte Natur. Denn in unserer Jugend lockt und befriedigt uns das traumhafte Naturleben voll und ganz. In reiferen Jahren aber wollen wir Menschen sehen, wir suchen das Walten des gegenwärtigen Volkes ober die Denkmale der Geschichte, verklärt
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