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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 503

1906 - München : Oldenbourg
105. König Maximilian ü. von Bayern und die Wissenschaft. 503 So blieben denn die historischen und politischen, die mathematischen und physischen Wissenschaften als das eigentliche Feld königlicher Hilfe und Liberalität. Dabei aber erschienen ihm doch immer alle einzelnen Disziplinen als ebensoviel Zweige des einen mächtigen Baumes der menschlichen Erkenntnis, an welchem jeder Ast und jedes Blatt berechtigt sei, der in seinen Wurzeln Nahrung ziehe ans der Vergangenheit, in seinen Früchten Nahrung biete den künftigen Geschlechtern und seinen erquickenden Schatten ausbreite über die gegenwärtige Menschheit. Dieser Baum des Wissens war es, den er pflegen wollte zum Gewinne und zur Ehre Bayerns, Deutschlands, der Menschheit. Denn sein erster Gedanke galt immer Bayern. Was frommt meinem Volke? so lautete die erste Frage, die er au sich stellte. Die zweite war: Was ist geeignet das deutsche Wissensgebiet zu erweitern, die deutsche Literatur zu bereichern und zugleich, als von Bayern ausgegangen, Bayern in den Augen des übrigen Deutschland zu heben und ihm Ehre zu bringen? Wir betonen hier Bayern und Deutschland, aber wir wissen wohl, daß die Wirkung der königlichen Gedanken nicht aus dieses Volksgebiet beschränkt bleiben konnte. Der Monarch eines ansehnlichen Reiches nimmt eine Stellung ein, welche ihm die richtige Auffassung und Beurteilung der Dinge, die Schätzung ihres Wertes einerseits erschwert, anderseits aber auch in hohem Grabe er- leichtert. Es ist wahr: auf der einsamen Höhe seines Thrones befinbet er sich wie auf einem hohen, tiefer abwärts von bichten Wolken umlagerten Berge; sein Blick vermag nicht durch biefe bunfeln Schichten hinburch zu bringen; was unten im Tale vorgeht, das Treiben der Menschen im einzelnen, ihre Leiben und F-reuben, ihre Gebrechen und ihre Bedürfnisse, das alles entzieht sich seiner Wahrnehmung und es sind großenteils nicht deutliche Stimmen, es ist häufig uur ein wirres Getöse, das von da unten her an sein Ohr schlügt. Dagegen aber, wieviel freier, klarer, weiter dringend ist sein Blick ans der Höhe, wohin ihn seine Würbe gestellt hat, wenn er nur überhaupt ein ge- snnbes Auge besitzt und es zu gebrauchen versteht! Er atmet und schaut in reineren, ätherischen, nicht durch die Nebel und Dünste des Alltagslebens und seiner Bedürfnisse getrübten Lüsten, er erkennt besser die Verknüpfung der Dinge, die Bedeutung des einzelnen für das staatliche Ganze; die gemeinen, niebern Triebfedern der menschlichen Handlungen haben keine Macht über ihn. Wir Gelehrten, die wir jeder von uns ein bestimmtes Wissensgebiet bebauen und pflegen, sind vor allem der Versuchung der Einseitigkeit ausgesetzt; nur schwer und selten erheben wir uns zu jener unbefangenen und großartigen Auffassung, die das eigene Fach nicht überschätzt und dem fremben Fache volle Gerechtigkeit wtberfahren läßt. Wer ist nicht schon im Leben Gelehrten begegnet, welche jeben Kieselstein in dem Garten ihrer Wissenschaft für einen Diamant ansehen, bagegen in den Diamanten anderer nur Kieselsteine erkennen wollen? Erhaben über solche Täuschungen und Einseitigkeiten urteilt, hanbelt ein König, welcher der Wissenschaft, nicht etwa bloß biesem ober jenem Fache, seine
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