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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 541

1906 - München : Oldenbourg
112. Prinz Karl von Bayern. 541 ganz von solchen frei? Das Fürstentum war der Standpunkt, von dem aus er die Welt und ihre Ereignisse betrachtete; die Natur selbst hatte ihn auf diesen Standpunkt gestellt und er maß sich vielleicht nicht einmal das Recht bei ihn zu verlassen. Wer so mit dem höchstgespannten Pflichtgefühle seine Stellung auffaßt und ihr gerecht zu werden strebt, den muß es freilich erschütternd berühren, wenn feiner redlichsten Bemühung der äußere Erfolg versagt ist. Und dies war im Jahre 1866 der Fall, es war der Wendepunkt in seinem äußereu und inneren Leben — eine andere Zeit hatte begonnen. Kurz nach dem Friedensschlüsse vom 22. August, bevor die bayerischen Truppen auseiuaudergiugeu, war noch eine große Revue bei Ingolstadt. In Strömen goß der Regen auf die Taufende herab, die da versammelt waren; wir standen reguugslos in Reih und Glied, hier sah ich den Prinzen Karl zum letztenmal in Uniform. Blaß und geblickt ritt er im Schritt die Front entlang; es lag eine Müdigkeit in seinen Zügen, die nicht den Körper allein berührte. Ohne es zu ahnen war er Zeuge geworden, wie jener morsche Ban zusammenbrach, bei dessen prunkvoller Gründung er einst vor 50 Jahren in Wien zugegen war: nun stand er einer neuen Ära und einer fremden Welt gegenüber. Es ist bekannt, daß er alsbald feine sämtlichen Würden und Ämter niederlegte und völlig aus dem politischen Leben schied, aber wenige wissen, wie er innerlich dabei gekämpft und gelitten. Im alten Schlöffe zu Tegernsee, wo ihm einst das Glück der Jugend erblühte, suchte er nunmehr ganz seine Heimat; dort lebte er im Kreise liebenswürdiger Töchter und Enkel; doch wenn der Winter kam, dann sandte er auch sie nach Hanse und blieb allein mit seinen Gedanken und Erinnerungen. Es ist wahr, er lebte in der Vergangenheit und ging dem Lärme der Menschen fast scheu aus dem Wege, aber dennoch wäre es verfehlt deshalb zu glauben, daß er den Menschen gram geworden sei. Im Gegenteil, mehr als man es ahnt, waren die Tage dieser Einsamkeit von einem vertieften Innenleben erfüllt und mit wachem Blicke folgte er den Fragen der Gegenwart, wenn er auch nicht mehr tätig in dieselben eingriss. Wie oft und schmerzlich beklagte er den jetzigen Mangel an Heimatssinn, wenn er sah, wie die Leute ihre prächtigen Höfe, die jahrhundertelang im Besitze der Familie waren, um schnödes Geld verhandelten; der Schutz der Wälder war ihm eine stete Sorge; und als die Truppen im Jahre 1871 siegreich nach Hause kehrten, nahm er an dieser Stunde tiefer teil, als wohl die meisten wissen. „Sie alle, alle fanden noch Gelegenheit und Kraft sich wieder hervorzutun und die herben Erinnerungen von ,damals' zu tilgen — nur ich, nur ich . . So sprach er mit zögernder Stimme und feuchten Augen; er machte kein Hehl daraus, wie er sich damals gewünscht, daß eine Kugel ihn getroffen hätte. Seitdem ging ein Zug von Wehmut durch sein Wesen, eine Seelenstimmung,
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