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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 576

1906 - München : Oldenbourg
576 119. Der Straßenkampf in Bazeilles. großartigste und entsetzlichste Schauspiel, das ich je gesehen habe. Auf den amphitheatralisch gelegenen Waldbergen ringsum Hunderte feindlicher Geschütze, die Tod und Verderben über die Täler ergossen. Die ganze Hölle schien losgelassen. Es sauste und heulte durch die Luft, es krachte und platzte hierhin und dorthin. Fortwährende Explosionen! — Drei Dörfer brannten lichterloh — aus Sedan leckte bereits eine blutrote Flamme empor. Feuerschein und Pulverqualm mischten sich zu einer unbeschreiblich unheimlichen Atmosphäre und über der ganzen Szene schien eine Wetterwolke zu hängen, aus der es unaufhörlich blitzte und donnerte. Es war, als ob die Engel des Jüngsten Gerichts die Schalen des Zornes über eine Dantesche Hölle ausschütteten. Endloses Erdbeben schüttelte den Boden unter den Kämpfenden, als ob die große Mutter sich in Krämpfen winde. Die Halme und Ähren lagen geknickt und in jeder Ackerfurche die lebende Blüte des Landes in Stücke zerfetzt. Fast jeder Baum warf zitternd Splitter und Blätter als Bahrtuch für die Gefallenen herab. — Ein Chaos der Verwüstung, so weit das Auge blickte! Unablässig drangen die Blaueu unten vor, unablässig warfen sich ihnen die Unsern entgegen. Nie ist mit standhafterer Hingebung gefochten worden als hier von den Besiegten von Wörth. Da feffelte meine Aufmerksamkeit eiue merkwürdige Szene. Aus einer total zerschossenen Hütte, welche einzustürzen drohte, trat ein Mann, warf sich aufs Pferd und ritt dann mit wenigen Begleitern langsam querfeldein nach Sedan zu. Jeder erkannte ihn: der Kaiser war es! Sein Gesicht war erdfahl, seine Augen stier und glanzlos, als wären sie nach innen gerichtet. Ich konnte mich nicht des Mitleids für den unglücklichen Monarchen erwehren, der hier buchstäblich den Tod gesucht hatte: er sollte ihn auf dem Felde der Ehre nicht finden. Hier und da begrüßte den Vorüberreitenden ein vereinzeltes: ,,Viv6 l'empereur!“, aber auch drohende Rufe erhoben sich. Nicht selten richtete sich ein Verwundeter auf um ihm mit geballter Faust und schäumender Lippe ein Schimpfwort uachzufchleudern. Es war seine Kalvarienftraße. Ich mußte an Napoleons I. Abendritt bei Aspern denken. Ob er wohl die Leichenhügel zählte?! — „Das Gespenst des Kaiserreichs!" dachte ich, als ich den bleichen Schemen vorüberschlendern sah .... Dieser Anblick konnte entmutigen. „Angeschlossen!" „En avant!“ „Es lebe der Kaiser!" „Ach was!" knurrte ein alter Sergeant. ,,A das Bonaparte! Cochon! - - - - Vive la France 1“ Mit Begeisterung wurde dies Feldgeschrei auf- genommen, und während Granate nach Granate ganze Sektionen zu Boden riß, ging es unter dem Gesänge der Marseillaise, die wie durch elektrischen Elan von allen Seiten angestimmt wurde, iu den Kugelregen Hinein: „Ihr Söhne des Vaterlandes, herbei! Der Tag des Ruhmes ist gekommen" .
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