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1. Geschichte - S. 145

1913 - Berlin : Oehmigke
— 145 — mittags mein Bruder atemlos angelaufen. „Sie sind am Halleschen Tor!" waren seine ersten Worte. Wir erschraken fürchterlich; denn wir wußten schon, wen er meinte. Sobald er mehr sprechen sonnte, erzählte er, daß unlängst ein Trupp Reiter, vielleicht 200 Mann, zum Halleschen Tor eingerückt sei und dort lustig den Weinflaschen zuspreche. „Wie sehen sie aus?" fragte ich. „Ganz grün", war die Antwort. „O, das sind Russen", jubelte ich; denn ich war ein gewaltiger Patriot, wiewohl etwas befangen darüber, daß sie zum Halleschen Tor hereingekommen waren. Mein Bruder aber schlug den Funken von Hoffnung, der in mir erwacht war, gleich nieder, weil er — schaudernd hörte ich es — mit einem Franzosen gesprochen und gefragt hatte, wie stark ihr Korps sei. „150 000 Mann", war die Antwort gewesen, worüber wir alle die Hände rangen. Neugierig blickten wir dann und wann aus dem Fenster, das nach dem Halleschen Tor hinwies. Die Entfernung war zu groß, um etwas zu erkennen. Vorsichtig ging ich zu allen Türen, verschloß und verriegelte sie und war der Meinung, die ich mit nicht nehmen ließ, die Franzosen fingen am Tore ein Haus nach dem andern zu plündern an. Totenstille war es in unserer Friedrich-straße ; keine Seele war zu sehen und zu hören. Da erscholl eines Pferdes Huf auf dem Pflaster. „Sie kommen!" rief meine Mutter, stürzte ans Fenster, und ich folgte ihr. Denn wiewohl ich fest glaubte, nach uns würde geschossen werden, zog es mich doch mächtig, hinzusehen. 3. Ein Reiter kam ganz allein angetrabt. Noch könnte ich ihn malen, den Chasseur mit seinem Tschako, grünem Kollett, grüner Hose, auf dem braunen, mageren Pferde. Er hatte keine Waffe in der Hand. Gemütlich hielt er mit der Rechten die kleine tönerne Tabakspfeife, gewaltig dampfend — für mich das Entsetzlichste. Denn Tabak auf der Straße rauchen hatte ich immer für etwas Unmögliches gehalten. Ein langer Säbel hing an der linken Seite bis beinahe auf das Pflaster, während auf der rechten ein Karabiner steckte. Das jugendlich magere, sonnverbrannte Gesicht, mit einem feinen schwarzen Schnurrbart verziert, richtete er nach uns, die wir als die einzigen sichtbar waren, nickte lächelnd empor und fragte: „Wo ist der Preuß?" Die Mutter antwortete ihm in gutem Französisch, daß schon lange kein preußischer Soldat mehr in Berlin sei. Er lachte überlaut Nohl, Unsere Mark Brandenburg. Ii. Teil. in
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