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1. Geschichte - S. 146

1913 - Berlin : Oehmigke
- 146 — und fragte wieder, diesmal auf französisch: „Madame, wo ist das Rathaus?" Das war freilich von der Friedrich- und Krausenstraßenecke sehr weit entfernt, und der Mutter ward bange, er werde sie auffordern, ihm einen Wegweiser zu schaffen. Die Magd war Gott weiß wo. Jeder, den man gerufen hätte, würde sich höflichst für diesen Dienst bedankt haben. Indes der Mann war so freundlich, daß ihm in weitläufigen Worten Bescheid erteilt werden konnte. Während der Unterhaltung hörten wir Trompeten in der Leipziger Straße schmettern. Ach, es war der erste Siegesruf des Feindes, den ich hörte, den ich haßte. Bittere Tränen stürzten mir über die Wangen. Der Chasseur aber fluchte: „Donnerwetter, sie sind schon da!" gab dem Pferde die Sporen und jagte pfeilschnell fort. Tiefatmend blickten wir ihm nach, wie er sich in den Straßen verlor. Zugleich aber zog in der Leipziger Straße ein prächtiges Regiment roter Husaren vorbei, den schmetternden Trompeten nach; später folgte ihm ein Trupp Offiziere in glänzendem Schmuck. Der Einzug der ersten Franzosen war erfolgt. Eines Tages frühmorgens wirbelten die Trommeln den Generalmarsch. Das Korps des Marschalls Davoust zog vor das Hallesche Tor, um von dem Kaiser gemustert zu werden.. Die langen Reihen standen aufmarschiert und harrten ihres Kaisers, der gegen Mittag erschien. Er kam im Schritt durch das Hallesche Tor geritten auf einem etwas mageren Schimmel, der aber, wie wir später sahen, vortrefflich laufen konnte. Er war in seinem bekannten grünen Anzuge, der eben nicht wie angegossen paßte. Dies war auch nicht das Merkwürdigste, wohl aber das ausdrucksvolle und doch so kalte Gesicht. Sein Teint war gelblich, beinahe ledern. Aber wenn er die blitzenden Augen, wiewohl sie etwas tief lagen, auf einen Gegenstand heftete, belebten sich seine Züge, und der durchbohrende Blick war kaum zu ertragen. Sein Kinn war stark, mit dem blauen Schimmer des Bartes. Der Mund war von sehr dünnen Lippen bedeckt und zeigte Verschlossenheit. Das schwarze Haar war glatt und dünn und glänzte wenig unter dem Hute hervor. Seine Haltung zu Pferde war eine gezwungene, nicht die eines Reiters, der mit dem Rosse verschmolzen ist. Aber dieser unscheinbare Mann war der Ausgezeichnetste unter seinem glänzenden Gefolge, und niemand konnte verkennen, daß er den ersten Rang einnahm..
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