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1. Bilder aus dem Weltkrieg - S. 97

1917 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
Der letzte Tag der Schreckensherrschaft der Nullen in Angerburg. 97 Am Nachmittag beerdigte ich die beiden Russen im Kinderhilfsgarten. In der ganzen Stadt ertönten Flintenschüsse. Nicht weit vom Kinderkrüppelheim erschossen vorbeireitende Kosaken einen Mann, am Garten Sanssouci*) (spr. ßangßußie) acht Männer auf einmal. Man hatte sie mit einem Strick zusammengebunden und solange in den Haufen hineingefeuert, bis keiner mehr lebte. Über 50 sollten noch erschossen werden, die schon seit einigen Tagen als Gefangene im Keller des alten Seminars schmachteten. Aber die Russen kamen nicht dazu, ihr Vorhaben auszuführen; die Gefangenen wurden befreit. Der von den Russen gleichfalls in der Dachstube des alten Seminars gefangen gehaltene Bürgermeister Tietz wurde durch den Apotheker Rademacher mittels eines Beils befreit. Beide retteten sich nach hinten hinaus, indem sie durch den Fluß wateten. Im ganzen wurden 13 Todesfälle durch Erschießen beim Abzug der Russen gemeldet. Ein Tag des Schreckens und doch auch unbeschreiblicher Freude! Noch um 1/25 Uhr sahen wir einen Trupp russischer Soldaten längs der Bahnstrecke laufen. Um fünf Uhr hörten wir auf der Straße Hurra rufen. So wie wir gingen und standen, liefen wir in die Stadt. Zunächst sahen wir zwei schwarze Husaren hoch zu Roß, die Karabiner gespannt. Wir jubelten ihnen zu, die Tränen traten uns in die Augen. Dort stehen zwei Infanteristen, von Menschen umringt. Wir drücken ihnen die Hände. Am liebsten möchten wir sie umarmen. Hurra! Hurra! unser stolzes Militär. Engel vom Himmel können nicht freudiger begrüßt werden als diese unsere Retter in höchster Not. Wir fragen, wir rufen: „Kommt noch mehr Militär?" „Ja, ja, Tausende!" Nun danket alle Gott! Überall in den Straßen haben sich Gruppen von Menschen gebildet. Dort werden drei Russen gefangen genommen. Sie knien auf dem Straßenpflaster, die Hände flehend erhoben, zerbrochene Gewehre zu ihren Füßen. Man fällt sich in die Arme und beglückwünscht einander. Frauen und Männer schluchzen laut und schämen sich der Tränen nicht. Wir hören, daß noch kurz vor der Stadt, am Lötzner Tor, zwei Husaren von fliehenden Russen erschossen sind. Reiterpatrouillen durchstreifen die Stadt und suchen nach versteckten Russen. Wieder ertönen Schüsse. Es schreckt uns nicht mehr, denn es gilt ja unsern Peinigern. Der Krieg macht hart und grausam. Sie haben's tausendmal verdient. Im Himmel lebt ein gerechter Gott. Wir eilen nach Hause. Flaggen heraus! Mit fiebernden Händen wird die deutsche Fahne, an der schon gestern gearbeitet ist, fertig gestellt. Um Vs6 Uhr hisse ich sie an unserer Flaggenstange. Stolz bläht sie sich im Winde. Ein feierlicher Augenblick: „Dir woll'n wir treu ergeben sein, getreu bis in den Tod, dir woll'n wir unser Leben weih'n, ' der Fahne schwarz-weiß-rot." Horch! Horch! Pferdegetrappel dröhnt auf dem Steinpflaster, Hurrageschrei! Sie kommen, sie kommen. Ich nehme beide Kinder an di-e Hand *) Sanssouci = ofmc Sorge.
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