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1. Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 76

1905 - Leipzig : Voigtländer
— 76 — Bezahlung zu fordern; wer Lust hatte, durfte sich ihm als Schüler anschließen. Emst scheute sich ein junger Mensch, der gerne seinen Unterricht genossen hätte, zu ihm zu gehen, weil er sehr arm war. Sokrates, der seinen Wunsch merkte, fragte ihn: „Warum scheust du dich vor mir?" — „Weil ich nichts habe, was ich dir geben könnte." — „Ei," versetzte Sokrates, „schätzest du dich selbst so gering? Gibst du mir nicht sehr viel, wenn du dich selbst mir gibst?" Und der Jüngling wurde sein eifriger Schüler. — Ein andermal begegnete Sokrates einem schönen Jüngling von trefflichen Anlagen in einer engen Gasse. Er hielt ihm seinen Stock vor, und der Jüngling blieb stehen. „Sage mir doch," fragte Sokrates, „wo kauft man Mehl?" — „Auf dem Markte." — „Und Öl?" — „Eben da." — „Aber wo geht man hin, um weise und gut zu werden?" Der Jüngling schwieg. „Folge mir," fuhr Sokrates fort, „ich will es dir zeigen." Seitdem schloffen beide den engsten Freundschaftsbund. 6. Sokrates und ferne Schüler. Mit inniger Liebe hingen die Schüler an dem weisen Lehrer. Sie kannten keinen größeren Genuß, als um ihn zu sein und ihn zu hören. Ein wißbegieriger Jüngling kam sehr oft mehrere Meilen weit nach Athen gegangen, um nur einen Tag den Unterricht des Sokrates zu genießen. Einst befand sich die Vaterstadt dieses Jünglings in bitterem Streite mit Athen, und die Athener hatten deren Bürgern bei Todesstrafe verboten, ihre Stadt zu betreten. Siehe, da legte der junge Freund des Sokrates Weiberkleidung an und schlich mit Lebensgefahr abends durch das Tor, um zu dem geliebten Lehrer zu gehen. 7. Sokrates vor Gericht. Aber je eifriger Sokrates fürwahrheit und Tugend wirkte, desto heftigern Haß zog er sich bei dem großen Haufen seiner verdorbenen Mitbürger zu. Besonders zürnten ihm die hochmütigen habsüchtigen Volksführer, deren Falschheit er oft in ernsten Worten züchtigte. Endlich klagten sie ihn sogar öffentlich an. Sie sagten: „Sokrates glaubt nicht an unsere Götter und verdirbt durch seine Lehren die Jugend." Und der edle Weise, schon ein Greis von siebzig Jahren, wurde vor Gericht gestellt. Mit aller Ruhe verteidigte er sich gegen die unwürdige Anklage. Im Bewußtsein seiner Unschuld verschmähte er, unter Bitten und Tränen um Mitleid und Begnadigung zu flehen, wie es gewöhnlich geschah. „Wenn ich eine Strafe verdiene," sagte er, „so ist es die, daß ich auf Kosten des Staates erhalten werde." Das erbitterte die Richter, und sie verurteilten ihn zum Tode.
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