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1. Geschichte des preußischen Vaterlandes - S. 213

1888 - Berlin : Hertz
Sophie Charlotten's Vermählung; der Berliner Hof. 213 Frankreich und nach verschiedenen Badeorten erhielt ihr Geist neue Anregung. Eine italienische Reise wirkte auf die Ausbildung ihres Urtheils und Geschmacks sehr Vortheilhaft, besonders für die Musik, welcher sie ihre gauze Neigung zuwendete; noch eindrucksvoller aber war eine Reise nach Paris. An dem französischen Hofe, welcher damals in der höchsten Blüthe geistigen und geselligen Verkehrs stand, erregte die fünfzehnjährige Prinzessin sowohl durch ihre Schönheit, als durch die Reife ihres Verstandes und den Umfang ihrer Kenntnisse allgemeines Erstaunen. Ludwig Xiv. selbst war von der liebenswürdigen Erscheinung so eingenommen, daß er den Gedanken faßte, sie mit einem französischen Prinzen zu vermählen. Doch hatte dieselbe bereits eine andere Bestimmung. Der damalige Kurprinz Friedrich von Brandenburg, welcher seine erste Gemahlin verloren hatte, war schon früher im Bade zu Pyrmont, sodann bei einem Besuche der hannöverschen Familie in Berlin mit der schönen und gebildeten Sophie Charlotte näher bekannt geworden, und beiden fürstlichen Häusern schien eine Verbindung derselben mit Friedrich höchst vortheilhaft. Hätte die Neigung der Prinzessin allein entscheiden können, so würde sie diese Mahl kaum getroffen haben: denn Friedrich war äußerlich unansehnlich und keineswegs so frischen lebendigen Geistes, wie es der geistvollen Prinzessin lieb gewesen wäre, sie wußte überdies, daß er prächtige Ceremonien und einen steifen Ton liebte, während sie selbst ein einfacheres, ungezwungenes Wesen vorzog. Sie gab jedoch die von der Mutter gewünschte Einwilligung und am 28. September 1684 fand die Vermählung der sechszehnjährigen Prinzessin mit großer Pracht zu Herrenhausen statt, bald darauf der nicht minder glänzende Einzug in die brandenburgische Hauptstadt. Berlin war unter der Regierung des großen Kurfürsten kräftig emporgestiegen; der Wohlstand und die Bildung der Einwohner, so wie der Glanz und Geschmack des höheren Lebens wurden einstimmig anerkannt: durch die Verbreitung der französischen Sprache nahm die gesellige Unterhaltung in den höheren Kreisen einen lebhaften Aufschwung, und Sophie Charlotte freute sich, an der Spree ihre schönen Erinnerungen von Paris wieder zu finden. Am Hofe selbst freilich fand die Fürstin wenig Erfreuliches: die einzelnen Glieder standen einander in den letzten Jahren des großen Kurfürsten voll Mißtrauen und Kälte gegenüber und ein traulicheres Begegnen der verschiedenen Parteien fand nicht statt. Dagegen war schon damals jede öffentliche Handlung mit Prunk und Ceremonien überhäuft, was daun unter Friedrich noch mehr überhand nahm. Das konnte dem Sinn Sophie Charlotten's nicht zusagen: zwar hätte sie durch ihren großen Verstand, unterstützt von Schönheit und Liebenswürdigkeit, leicht ein Uebergewicht unter den Parteien gewinnen und allmälig das Ganze mehr nach ihren Neigungen leiten können, aber die Ausübung solcher Macht reizte sie nicht, und sie zog es vor, sich ein Dasein für sich inmitten des ihr fremdartigen Hoflebens zu bilden. Sie blieb ihrem Gemahl treu ergeben, aber ihre Freuden und Erholungen suchte sie in einem engeren Kreise, wo sie der Heiterkeit ihres Gemüths im Schooße der Freundschaft freien Lauf lassen und im zwanglosen Gespräch die reichen Gedanken austauschen konnte. Sie stiftete vertrauliche Gesellschaftstage, wo die lästige Hofsitte aufgehoben war und die Damen zur Vermeidung unnützen Aufwandes in einfacher schwarzer Kleidung erschienen und wo nicht gespielt.
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