1888 -
Berlin
: Hertz
- Autor: Hahn, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 21
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
242 Die Untersuchung.
Dies brachte den König wieder zur Besinnung; Mosel stellte ihm vor, er dürfe den Kronprinzen nicht vernrtheilen, ohne ihn zu hören, aber er selbst möge ihn nicht mehr sehen, sondern durch zuverlässige Männer ins Verhör nehmen lassen.
Der Prinz wollte die beabsichtigte Flucht nach England nicht eingestehen, sagte vielmehr ans, er habe nach Frankreich und von da nach Italien gehen wollen, um unerkannt.kriegsdienste zu nehmen und sich durch Waffenthaten der Gnade seines Vaters wieder werth zu machen. Damit hatte er nun aber die Absicht einer Flucht doch zugestanden: der König nach seiner rein soldatischen Auffassung erblickte darin nichts Anderes, als schimpfliches Deser-tiren und ein höchst gefährliches Beispiel für die ganze Armee, um so mehr, als der Prinz auch noch die beiden Offiziere Katte und Keith zum Bruch ihres Fahneneides bewogen hatte. Er war entschlossen, den Vorfall rein militärisch als Desertionssache vor einem Kriegsgerichte behandeln zu lassen. Seiner Gemahlin schrieb er: „Ich habe den Schurkeu, den Fritz, festnehmen lassen und werde ihn behandeln, wie es sein Verbrechen und seine Feigheit verdienen. Ich erkenne ihn nicht mehr als meinen Sohn an, er hat mich und mein gauzes Haus entehrt. Ein solcher Elender verdient nicht mehr zu leben." Bei seiner Rückkehr nach Berlin wüthete er mit den ärgsten Mißhandlungen gegen die Prinzessin Wilhelmine und versicherte, daß er den Kronprinzen hinrichten lassen wolle. Während vor seinem schrecklichen Zornausbruche Alles zitterte und bebte, wagte es die würdige Oberhofmeisterin der Königin, Frau von Kamecke, ihm zu sagen: „Sie haben Sich bis jetzt Etwas darauf zu Gute gethan, ein gerechter und gottesfürchtiger Fürst zu sein, und Gott hat Sie mit Wohlthaten überhäuft; aber wehe Ihnen, wenn Sie von Gottes heiligen Geboten abgehen. Fürchten Sie seine Gerechtigkeit. Fassen Sie Sich! Ihr erster Zorn ist verzeihlich, aber er wird zum Verbrechen, wenn Sie ihn nicht zu überwinden suchen." Da erwachte des Königs besseres Theil wieder: „Sie sind sehr kühn," sagte er, „daß Sie gegen mich eine solche Sprache führen, aber ich nehme es nicht übel. Ihre Absichten sind gut. Sie sprechen freimüthig zu mir, und das vermehrt meine Achtung für Sie. Beruhigen Sie meine Frau."
Katte hatte auf die leichtsinnigste Weise versäumt, sich durch die Flucht zu retten, und fiel nun dem König in die Hände. Als er vor diesen geführt wurde, erfuhr er die härtesten Mißhandlungen; dann wurde er verhört und gestand Alles ein. Der Kronprinz war inzwischen nach der Festung Küstrin gebracht worden, wo er als Staatsgefangener mit der größten Strenge behandelt wurde. Die Thüre seiues Gemaches mußte fortwährend verschlossen bleiben, Niemand durste mit ihm sprechen. Das Essen wurde aus der Garküche geholt und Alles klein geschnitten, weil man ihm weder Messer, noch Gabeln geben wollte. Ebenso war ihm Tinte und Feder, die Flöte und alle Bücher streng vorenthalten. Freilich gelang es der allgemeinen Theilnahme, welche sein Schicksal in Aller Herzen erregte, ihm hier und da auf heimlichem Wege eine Erleichterung zu verschaffen. Gleichzeitig kamen von allen Seiten sowohl aus dem preußischen Volke, als von den fremden Höfen Bitten und Vorstellungen für den unglücklichen Prinzen an den König. Dieser aber blieb unerschütterlich dabei, den Schimpf, den ihm fein Sohn, wie er meinte, an-