Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Reallexikon des classischen Alterthums für Gymnasien - S. 607

1877 - Leipzig : Teubner
Komoedia. 607 stophanes, von dem allein noch vollständige Dramen uns erhalten sind, aus denen sich das Wesen der Gattung erkennen läßt. Jede Schwäche, jedes sittliche Gebrechen, jede politische Verkehrtheit und verderbliche Richtung selbst au deu angesehensten und mächtigsten Männern wurde gerügt und dem Spotte preisgegeben. Auch selbst Heroen und Götter wurden ihrer Würde entkleidet und in ihren Schwächen und Blößen dargestellt. Ehrgeizige, ungeschickte Feldherren, unruhige, anmaßende Demagogen, lächerliche Philosophen und verderbliche Sophisten, Dichter und Redner brachte sie unter ihren eigenen Namen und mit treuer Nachbildung ihrer äußeren Persönlichkeit durch besonders dazu gefertigte Masken aus die Bühne: niemand blieb verschont, der die Geißel des Spottes zu verdienen schien. Dabei wurde freilich die Schilderung zum Zerrbilde. Niedrige Bilder und Gleichnisse, schmutzige Späße und Ausdrücke siud nicht eben selten. Die K. des Aristophanes hat einen durchaus öffentlichen Charakter, alle Verhältnisse des Staats- sowie des Privatlebens kommen, schonungslos mitgenommen, zum Vorschein und vor die Augeu des Publicums. „Es übt somit die alte Komödie das Amt einer politischen Censur ans und vertritt mit unbeschränkter Freiheit die öffentliche Meinung. Jedes ihrer Stücke betrachtet das Gefammtleben des Staats in einem einzelnen, aber wichtigen Momente, woran das Allgemeine in gleicher Zeit sich abspiegelt. Aber langsam und nicht aus einmal ist ihr der Umsang dieser Kritik klar geworden. Den ersten Anstoß emfing sie von der reichen, ans vielfachen Elementen zusammengesetzten städtischen Gesellschaft, denn die wahre Komödie bedarf eines Gegensatzes in der Gesellschaft. Dann muß sie aber auch eine Gegenwart voll von Bewegung und Widersprüchen vorfinden, da sie von der Gegenwart sich nährt und auf sie einwirkt. Und diese Bedingung war in Athen während der Zeit der Ochlokratie allerdings vorhanden. Von der Ochlokratie kam den Komikern ein reicher, unbegrenzter Stoff für ihre Darstellungen. Denn in wenigen Jahren hatte die Pöbelherrschaft den sonst gediegenen Kern des attischen Volksstammes so ausgehöhlt und zerfressen, daß die Möglichkeit einer bessern Zukunst verloren war, da sofort in die ochlokratischen Trümmer und Schäden arglistige Demagogen eindrangen, neben denen fanatische Priester des Atheismus und des einheimischen oder asiatischen Aberglaubens, Männer der Wissenschaft und Wortführer sophistischer Bildung 3 im Stillen wirkten. Diefe staatliche und gesellschaftliche Entartung nahm die alte Komödie zum Gegenstände ihrer Darstellung. Sie matt daher unablässig die Unpolitik und Anarchie des Staats, die winzigen Staatsmänner, die Erniedrigung der Bürger in Volksversammlungen und im Gerichtswesen, die Verderbtheit des Volkscharakters in der Oeffentlichkeit und Familie, die Auslösung der menschlichen Baude in der Religion und Erziehung, in den Ständen und Geschlechtern. Es dichteten die Komiker im Bewußtsein des allgemeinen Unglücks, und sie liebten ihr Vaterland zu warm und innig, um die bessere Vorzeit vergessen und die Reste der Sinnlichkeit und Ehre preisgeben zu können. Indem sie nun ihre Zeit der Wahrheit gemäß in den Umrissen einer verkehrten und verschrobenen Welt zeichnen, worin alle einander gleich geworden und in aller möglichen Ungebun-benheit sür einen tollen Karneval vereint zu fein scheinen, gewinnt die Komödie zwei wesentliche Elemente, das Phantastische und das Recht der Jn-convenieuz, so daß stein dieser Beziehung als ein vollkommener Gegensatz zur Tragödie erscheint." Die K. idealisirt die Menschen und ihre Angelegenheiten in einem der Tragödie entgegengesetzten Sinne, nämlich ins Häßliche und Niedrige. Und wie in der Tragödie harmonische Einheit in jeder Beziehung herrschen soll, so darf die K. üt einer chaotischen Fülle leben, die buntesten Gegensätze und Widersprüche herbeiziehet!, sich Willkür aller Art erlauben, da das ganze Drama ein einziger großer Scherz sein soll, der wieder eine ganze Welt einzelner Scherze enthält. Daraus erklärt sich die große Formlosigkeit der Stücke, welche gänzlich ohne bestimmten Plan und Einheit gearbeitet siud, sowie die häufigen Verstöße gegen Anstand und Sitte. Bei den letzteren ist aber nicht zu vergessen, daß die Alten über gewisse Dinge eine ganz andere uni) weit freiere Sitten-lehre als wir hatten, und daß die mnthwillige Ausgelassenheit der Dionysosfeste auch den thierischen Naturtrieb einmal der Fesseln entband, welche ihm sonst Sittlichkeit und Anständigkeit anlegten. Es waren jene Feste eine vollkommene Faschingszeit, welche Alles entfesselte und auch der Komödie eine ungezügelte Freiheit zuließ. Endlich ist es den Dichtern nie darum zu thun gewesen, durch unsittliche Späße und Possen blos das Gelächter der Menge zu erregen, es offenbart sich vielmehr auch in der tollsten Ausgelassenheit ein sittlicher Ernst. — Die Sprache der 4 alten K. ist der reinste Atticismus sowol im Dialog als auch in den Choren, die sie eben so gut als die Tragödie hat, nur keine arä- Glfia, d. i. Gesänge zwischen den einzelnen Steten. Der Chor selbst bestand aus 24 Personen, die sich oft in 2 Halbchöre theilten. Der Tanz des kom. Chores war der sogenannte hoqsci!; (s. tu, der in seinen Bewegungen und Springen ausgelassen, mnthwillig, ja auch zuweilen unschicklich und unzüchtig war. Eine besondere Eigenthümlichkeit des kom. Chores war die Parabase, Trttgßßttcig. Die Parabase war ein Intermezzo und steht streng genommen mit der dramatischen Kunst in Widerspruch, da die Illusion ausgehoben und das Spiel unterbrochen wird, damit der Dichter sich mit dem Pnblieum verständigen kann. Sobald nämlich die Exposition des Stückes abge schlossen und das Thema hinlänglich begründet war, entstand ein Ruhepunct im Dialog; der Chor, welcher bisher auf der Bühne am Dialog seinen Antheil gehabt hatte, nahm nun, zum Zuschauerraume gewendet (ttqos to ftsarpov nccqk-ßrjvcci), eine Stellung auf der Orchestra ein, um Wünsche, Klagen, Verdienste und andere Jnteres-. sen des Dichrers vorzubringen und in ihr Sicht zu setzen, dann aber auch die Götter des Staates zu preisen und politischen Tadel gegen Personen und Mängel des öffentlichen Lebens vorzubringen. So bildet die Parabase, welche nach Verlauf größerer Abschnitte im Stücke wiederkehrt, eine Digression von den poetischen Zwecken des Stücks zu deu Interessen.der Gegenwart und gleichsam ein Programm des Komikers, für den meist der
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer