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1. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 98

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
98 Skandinavien und England. Darüber hinaus trieb der neue Glaube seine Lebensströme bis tief in die romanische und die slavisch-magyarische Welt; aber germanisch ist sein Geist immer geblieben. Die römische Kirche hatte zwischen Gott und den Menschen den Klerus als Mittler gestellt mit der Gewalt, zu binden und zu lösen, und den Herrn des Himmels fast verschwinden lassen hinter einer bunten Schar von Heiligen, also daß an die Stelle des einen Gottes thatsächlich eine heidnische Vielheit trat. Der Protestantismus brach diese Stellung des Klerus und stürzte die Heiligen von ihren Thronen; ersetzte den Menschen wieder in ein unmittelbares Verhältnis zu seinem Gott, verpflichtete jeden, in persönlicher Erfahrung den Glauben in sich lebendig und wirksam zu machen, gestaltete die Religion zu persönlicher Gewissenssache jedes Einzelnen. Das spätere Mittelalter hatte ferner durch die praktische Verbildung der Lehre von den „guten Werken" das innere religiöse Leben fast erstickt unter einem Wüste von Äußerlichkeiten; der Protestantismus legte das Gewicht allein auf die Gesinnung, und äußere Handlungen haben für ihn nur insoweit sittlichen Wert, als sie aus echter Gesinnung fließen. Freiheit und Innerlichkeit des religiösen Lebens, das sind die großen Grundzüge der neuen und doch altchristlichen Lehre, und sie entsprechen zugleich dem germanischen Geiste, stehen in vollem, bewußtem Gegensatze zu jener romanisch-katholischen Weltanschauung, die für die Gewissensfreiheit des Einzelnen die Autorität des Priesters, für die Innerlichkeit des Gefühls die äußere Übung setzte. Freilich, aus der Grundlage persönlicher Freiheit eine Kirchenverfassung zu gründen, das war unendlich schwerer als auf der der Autorität, und weit hinter der Wucht und Geschlossenheit der päpstlichen Kirche ist deshalb die Regellosigkeit und Mannigfaltigkeit der evangelischen Kirchen zurückgeblieben; aber der Protestantismus hat es verschmäht, die Form der Kirche auszubilden auf Kosten des religiösen Lebens, zu dessen Pflege sie da ist, und er muß überall die Freiheit der Überzeugung achten, will er nicht seinem Wesen untreu werden. Ferner hatte das Mittelalter die Wissenschaft im Banne der kirchlichen Überlieferung gehalten, und was aus diesem Rahmen heraustrat, als ketzerisch verdammt. Der Protestantismus im Bunde mit dem Humanismus erhob durch den Grundsatz der Gewissensfreiheit die freie Forschung zum Princip, welche die Wahrheit sucht und nichts weiter, die keiner Autorität sich fügt außer der besserer Erkenntnis.
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