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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 65

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 65 — Hafter Geist neigte zu edleren Beschäftigungen. Besonders liebte er Dichtkunst und Musik. In seiner freien Zeit studierte er gute Bücher. Sein täglicher Lehrer, ein junger, kenntnisreicher Franzose, hatte ihm eine große Vorliebe für die französische Sprache eingeflößt. Die geistreichen Schriften der Franzosen las er am liebsten. Diese Vorliebe behielt er sein ganzes Leben hindurch zum Schaden für deutsche Wissenschaft und Bildung. Der berühmte Flötenspieler Qnanz erteilte ihm ohne Vorwissen des strengen Vaters Unterricht im sanften Flötenspiel. Diese Änderung im Wesen des Kronprinzen konnte dem Vater nicht entgehen und verstimmte ihn. Zornig sprach er: „Fritz ist ein Querpfeifer und Poet; er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben." Auch die sparsame Lebensweise war nicht nach dem Geschmack des Kronprinzen; er gab für feine Bedürfnisse und Bequemlichkeiten reichlich Geld aus. So entstand zwischen Vater und Sohn eine Spannung. Sie steigerte sich, als Friedrichs Mutter, die Königin, sich bemühte, ihn mit einer englischen Prinzessin zu vermählen; diese Heirat war den Absichten des Vaters ganz zuwider. Friedrich Wilhelm ging nun mit großer Strenge gegen seinen Sohn vor. Wiederholt kam es zu körperlichen Züchtigungen des erwachsenen Prinzen. Der König wollte ihn sogar vom Throne ganz ausschließen. Dem Kronprinzen wurde der Aufenthalt am Hofe seines Vaters zuletzt unerträglich. „Niemand weiß, was ich ertragen muß," schrieb er an seine Schwester, „ich werde behandelt wie ein Sklave." Nach einer harten Züchtigung sagte einst der König: „Wenn mein Vater mich so behandelt hätte, ich wäre tausendmal entflohen; aber Ihr habt kein Herz und seid ein Feigling!" Seitdem beschäftigte ihn der Gedanke an Flucht unaufhörlich. Endlich beschloß er, heimlich zu seinem Oheim, dem Könige von England, zu entfliehen. Eine Reife, die der König mit dem Kronprinzen 1730 nach Süddentfchland unternahm, sollte die Gelegenheit dazu bieten. Alles war vorbereitet. Die Offiziere von Keith in Wesel und von Kalte in Berlin waren feine Vertrauten. Aber der Plan wurde verraten, und die Flucht mißlaug im letzten Augenblicke. In dem Dorfe Steinfurt bei Heilbronn übernachtete der König mit seinem Gefolge in einigen Scheunen. Hier wollte Friedrich sein Vorhaben ausführen. Er befahl dem Pagen Keith, einem jüngeren Bruder seines Freundes Keith, die Pferde zur Flucht herbeizuschaffen. Weil aber die Umgebung des Königs ihn scharf im Auge behielt, wurde die Flucht vereitelt. In Mannheim angekommen, veranlaßte er den Pagen nochmals, alles bereit zu halten. Dieser aber, von Gewissensbissen gepeinigt, fiel dem Könige zu Füßen und verriet den ganzen Plan. Der König war aufs höchste erzürnt und beschleunigte seine Rückkehr nach Berlin, um strenges Gericht zu halten. In Wesel fand das erste Verhör des Kronprinzen statt, der seine Absicht bekannte und die Mitschuldigen nannte. Daraus wurde ihm der Degen abgefordert, und er auf die Festung Küftrin gebracht. Hier diente der Fußboden als Bett, ganz magere Nahrung war seine Kost; nicht einmal Licht durfte im Kerker brennen und niemand länger als vier Minuten bei ihm verweilen. Der König verlangte, daß fein Sohn als Deserteur vorn 5
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