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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 115

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 115 — Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, weil die alte sich überlebt hat und als abgelebt in sich zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, und deshalb überflügelt sie uns. Das sieht niemand klarer ein als der König. Noch soeben hatte ich mit ihm darüber eine lange Unterredung; wiederholt sagte er: „Das muß bei uns anders werden!" Bon Napoleon können wir oieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre eine Lästerung, zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begrabeu. Gewiß wird es besser werden; das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten/' So hatten die Tage des Unglücks gezeigt, daß es nur besser werden könne, wenn man selbst besser werde. Darum sollten nun alle Kräfte angespannt werden, um die Wiedererhebung Preußens vorzubereiten und endlich eine glücklichere Zeit anbrechen zu sehen. Tilgung der Kriegsschuld. Zunächst galt es, Geld zu schaffen, um durch Zahlung der Kriegskosten die Franzosen aus dem Lande zu bekommen. 150000 Mann mit drei Marschällen mußten unterhalten werden. Diese sogen das Land so aus, daß es auf die Dauer in gänzliche Armut verfallen mußte. Die königliche Familie gab das schönste und hingebendste Beispiel. Viele kostbare Sachen, auch ein wertvolles, goldenes Tafelgeschirr — das Erbstück der Ahnen — und die Juwelen und Diamanten der Königin, wurden verkauft. An der königlichen Tafel ging es so einfach zu wie bei einem gewöhnlichen Bürger. Ans irdenen Schüsseln aßen diejenigen, welche an goldstrotzenden Tafeln zu sitzen gewohnt waren. Als der König eines Tages gefragt wurde, ob man nicht bald feinere Weine aufsetzen dürfe, antwortete er: „Nicht eher, als der Geringste meiner Unterthanen wieder Bier trinken kann." Überhaupt lebten Friedrich Wilhelm und Luise in Memel und darauf in Königsberg wie schlichte Bürgersleute. Der König ließ sogar mehrere königliche Güter verkaufen. Durch die große Sparsamkeit am Hose, die im Lande nachgeahmt wurde, gelang es bald, die ungeheure Summe zu decken. Zur unbeschreiblichen Freude aller rückten im Dezember 1808 wieder preußische Truppen in Berlin ein. Aufhebung der Gutsuuterthäuigkeit. An die Spitze der Verwaltung des zusammengebrochenen Staates hatte der König bald nach dem Tilsiter Frieden den Freiherrn von Stein berufen. Der Freiherr vom und zum Stein war 1757 zu Nassau an der Lahn aus einem alten reichsritterlichen Geschlechte geboren und trat im Jahre 1780 noch unter Friedrich dem Großen in preußische Dienste. Durch seinen Eifer und sein seltenes Talent brachte er es zum Oberpräsidenten von Westfalen. Nachdem er 1804 zum Minister der Finanzen, des Handels und Gewerbes ernannt war, konnte er sich in noch höherem Maße als tüchtigen Mann bewähren. Schon vor den Unglücksjahren hatte sein klarer Verstand die Schwächen und Mängel des Staates erkannt; 8*
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