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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 155

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 155 — drängenden zurückhielten. Plötzlich fielen zwei Gewehrschüsse. Niemand wußte, woher sie kamen, niemand war getroffen, und doch übten sie eine schreckliche Wirkung. „Wir sind verraten! Waffen! Waffen!" ertönte der Ruf aus dem Munde dieses Gesindels und verbreitete sich bald wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt. Nie ist aufgeklärt worden, wer diese Schüsse abgefeuert hat, oder auf wessen Befehl solches geschehen ist. Später nahm man allgemein an, daß die Aufwiegler die Schüsse vorgesehen und absichtlich losgelassen haben, um die blutige Empörung anzuzetteln. _ Leider schenkte das verblendete Volk den Aufrührern Gehör, die ausstreuten, die Soldaten des Königs hätten auf das Volk geschossen. Das Straßenpflaster wnrde aufgerissen, Wagen, Bretter und Balken schleppte man zusammen, und bald waren die Straßen durch hohe Verschanzungen (Barrikaden) gesperrt, die dicht mit Bewaffneten besetzt wurden. Überall tauchten unheimliche Gestalten auf, die sich an die spitze der Aufrührer stellten. Mit schwerem Herzen gab der König seinen treuen Truppen den Befehl, vorzurücken, um Ruhe und Ordnung herzustellen. Mit Steinwürfen und Flintenschüssen empsing man die L-oldaten, und bald tobte ein gräßlicher Straßenkampf, der bis in die Nacht hinein an Heftigkeit stets zunahm. Am Morgen des 19. März waren die Soldaten an allen Punkten Sieger. Noch in der Nacht hatte der König eine Ansprache entworfen; flehentlich beschwor er darin seine lieben Berliner, die Barrikaden zu räumen und zum Frieden zurückzukehren. Aber das irregeleitete Volk hatte für die herzlichen Worte seines Königs vielfach nur Spott und Hohn. — Der weichherzige König schauderte vor Dem Gedanken zurück, noch mehr Blut seiner Landesünder fließen zu sehen und ließ die Truppen aus der Stadt ziehen, um das Volk zu beruhigen?) An Stelle der Truppen trat zur Aufrechterhaltung der Ruhe eine Bürgerwehr. Aber den ganzen Sommer hindurch trieb der Pöbel trotz der bewaffneten Bürger fein Unwesen. Erst als der König im November seine Garden unter dem Oberbefehle des unerschrockenen Generals Wränget in die Hauptstadt einrücken ließ, kehrten Ruhe und Sicherheit dauernd zurück. Die Verfassung. Friedrich Wilhelm Iv. gab nun feinem Lande ane Verfassung (6. Februar 1850), welche noch heute in Preußen m r, *) Besonders richtete sich in den Tagen des Anfstandes die Stimmung des Kolkes gegen den Bruder des Königs, den Prinzen von Preußen. Alle kannten ihn als den Mann, der durch und durch Soldat war und in soldatischer Auffassung der Treue die Ausschreitungen des Volkes doppelt hart verurteilte. Weil man chm die Schuld zuschob an dem wirksamen Einschreiten des Militärs, steigerte Üch der Haß des Volkes gegen ihn so bedenklich, daß der König ihm den Auftrag gab, eine Reye an den englischen Königshof zu machen. Aber es bedurfte eines energischen, schriftlichen Befehls seitens des Königs, bis der ritterliche Prinz sich entschloß, in dieser ernsten Stunde von der Seite seines Bruders zu weichen. ^vunte das prinzliche Palais vor der Wut der Aufgewiegelten geschützt werden. Am 8. Jnni kehrte der Prinz nach Berlin zurück, begab sich togletch tit den Sitzungssaal der Nationalversammlung, der er als Abgeordneter des Wlrsttzer Kreises augehörte, und ergriff das Wort zu einer wirkungsvollen Rede, bte mit dem Rufe schloß: „Mit Gott für König und Vaterland!" An allen wichtigen Staatsangelegenheiten der kommenden Jahre nahm er den thätigsten Anteil.
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