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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 209

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 209 — Aber auch in dem nach ihrer Absicht umgestalteten Staate, dem sogenannten Zukunftsstaate, sind dieselben unausführbar. Die erste Forderung, daß alle Arbeitsmittel der Gesamtheit der Bewohner gehören sollen, widerspricht geradezu der Lehre des Christentums. Mit welchem Rechte will man den Mitmenschen zwingen, sein durch Fleiß erworbenes oder von seinen Vätern ererbtes Eigentum der Gesamtheit hinzugeben? Haben denn die 10 Gebote Gottes für uns keine Giltigkeit mehr? Auch heute noch ist es Diebstahl, dem Nächsten Hans, Acker, Ochs und Esel zu nehmen oder dieses nur ungerecht zu begehren. Dem reichen Jüngling erklärte der Heiland, er solle die Gebote halten und fügte als Rat hinzu: „Willst du vollkommen sein, so verkaufe alles und gieb es den Armen." Zu Auanias sagte Petrus, er hätte seinen Acker behalten können, wenn er ihn nicht hergeben wollte. — Wir wollen nun einmal annehmen, jeder wäre mit der Übertragung aller Arbeitsmittel an die Gesamtheit einverstanden, und Grund und Bodeu, Fabriken, Maschinen, Rohstücke, Werkzeuge re. wären Eigentum der Gesamtheit. Jetzt ginge es an die Verteilung der Arbeit; denn auch im Zukunftsstaate wird man wohl noch arbeiten müssen. Da der Gewinn gleich verteilt werden soll, muß auch das Maß der Arbeit gleich verteilt sein. Zuerst wollen wir noch fragen, ob die Menschen gebunden sind, an demselben Orte wohnen zu bleiben. Das wäre doch ein unerhörter Zwang, und im Zukunftsstaate sollen ja alle freie Menschen werden. Was würde aber geschehen, wenn man volle Freizügigkeit bestehen ließe? Heute hängt der Mensch an seiner Scholle, weil sie ihm Lebensunterhalt gewährt; selbst der Besitzlose sucht dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen, wo er Unterhalt zu finden hofft. Im Zukunftsstaate dagegen hat jeder überall im ganzen Lande Anspruch auf Arbeit und Unterhalt. Wird da nicht jeder vorziehen, am schönen Rheine zu wohnen, statt in der öden Lüneburger Haide sein Dasein zu fristen? Wird da nicht der arme Bewohner der unfruchtbaren Eifel in die Großstadt ziehen wollen, um dort die Annehmlichkeiten des Stadtlebens zu genießen? Wie sollen nun die Arbeitskräfte verteilt werden? Soll die Wahl der Arbeit jedem einzelnen überlassen bleiben? Dann wird sich jeder die leichtere, angenehmere Beschäftigung aussuchen. Wer soll in saurer Arbeit die Kohlen des Bergwerkes hauen? Wer soll die Straßen und Kloaken der Städte reinigen ? Vielleicht könnte es so geordnet werden, daß nach der Reibe alle zu den widerlichen Arbeiten, die doch geschehen müssen, herangezogen werden. Also trifft jemanden die Reihe, so muß er sowohl Stallknecht als Kaminfeger, sowohl (Straßenreiniger als „Waschfrau" spielen. *) Das wäre dann die vielge- ') Bebel hofft sogar, daß bei fortgeschrittener Organisation und bei höherer Durchbildung aller Glieder die Funktionen einfach alternierende werden, die in gewissen Zwischenräumen nach einem bestimmten Turnus alle Beteiligten ohne Unterschied des Geschlechtes übernehmen. Dazu bemerkt Paulsen in seinem System der Ethik: „Also in Zukunft wird ein und derselbe Mann heute Briefe und Packete austragen, morgen die Söureaugefchäfte eines Postamts führen, übermorgen als General-Postmeister— doch wozu Titel? — also schlechtweg die Geschäfte übernehmen, die heutzutage der Leiter des Reichspostamtes in der Hand hat, Vorlagen für Weltpostkongresse vorbereiten rc., um endlich am vierten Tage wieder zum Schalter zurückzukehren und am fünften wieder Briese auszutragen, diesmal aber nicht in Berlin, sondern in Stallupönen; denn es ist doch billig, daß auch die Annehmlichkeiten der Hauptstadt jedem nach der Reihe zugute kommen. Und ebenso wäre es im Eisenbahnwesen, ebenso im Berg- und Hüttenwesen oder in einer Maschinenfabrik zu hatten: einen Tag über ober unter der Erde Kohlen schippen, Eisen hämmern, Billets soupieren, den anderen die Feder führen, Rechnungen machen, chemische Versuche anstellen, Zeichnungen zu Maschinen machen, allgemeine 14
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