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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 218

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 218 — verehrten Herrscher zu sehen. Dann nahm der Kaiser ein kleines Frühstück und arbeitete darauf wieder bis gegen 3 Uhr. Um 4 Uhr fand die Mittagstafel statt, die nicht über eine Stunde ausgedehnt wurde. Nach beendeter Mahlzeit nahm er sofort feine Thätigkeit wieder auf. War für den Abend nicht der Besuch des Theaters, eines Konzertes oder einer Vorlesung vorgesehen, so arbeitete er ununterbrochen bis zum Abendthee, den er mit seiner hohen Gemahlin und einigen Geladenen einzunehmen pflegte. Nach aufgehobener Abendgesellschaft arbeitete er manchmal noch beim Lampenscheine bis Mitternacht. Sogar auf dem Sterbebette beschäftigte ihn noch das Glück seines Volkes. Mit dem Prinzen Wilhelm und dem Fürsten Bismarck sprach er noch am Tage vor seinem Tode in eindringlichen Worten über das Wohl Deutschlands und über seine Zukunft. Als ihn seine Tochter Luise bat, er möge die schwachen Kräfte schonen, gab er die schöne Antwort: „Ich habe keine Zeit, müde zu sein." Kaiser Wilhelms Lebensende. Kaiser Wilhelm war es vergönnt, am 22. März 1887 seinen 90. Geburtstag in voller Frische des Geistes und Körpers zu feiern. An diesem Tage scharten sich an die 100 Mitglieder fürstlicher Familien zur Beglückwünschung um seinen Thron. Mit Begeisterung jauchzte das ganze deutsche Volk seinem Kaiser zu?) An ihm, der das Andenken an seine Mutter Luise mit inniger Liebe bewahrte, ging die Verheißung des 4. Gebotes in Erfüllung, „daß es dir wohlgehe und du lauge lebest auf Erden." Da traf ihn am Abende seines Lebens ein sehr harter Schlag. Sein einziger, teurer Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, erkrankte an einem tückischen Kehlkopfleiden und suchte vergeblich Heilung bei den berühmtesten Ärzten und in der milden Luft des Südens; die Hoffnung auf Geuesung schwand immer mehr. Welche Heimsuchung für Kaiser Wilhelm! In bangen, schlaflosen Nächten hörte sein Kammerdiener ihn oft schluchzend die Worte rufen: „Mein Sohn, mein armer Fritz!" Er sollte ihn nicht mehr wiedersehen. Dazu kam am 23. Februar die Trauerkunde von dem plötzlichen Ableben seines geliebten Enkels, des Prinzen Lndwig von Baden, der im blühenden Jünglingsalter einer Lungenentzündung erlag. Diese Schicksalsschläge brachen die letzte Kraft des greisen Kaisers. Am 4. März verbreitete sich die Nachricht von einem ernstlichen Unwohlsein Kaiser Wilhelms. Das rasche Sinken der Kräfte ließ kaum die Hoffuung aufkommen, daß der Greis den Ausall noch einmal überwinden werde. Am 8. März ') In einem Erlasse vom 23. März, in welchem er für alle Kundgebungen der Liebe und Treue des Volkes mit bewegtem Herzen feinen Dank abstattet, sagt er: „In bemiitigem Ernste erkenne Ich die Gnade Gottes, welche Mich diesen Tag hat erleben lassen, welche Mir in so hohem Alter die Kraft zur Erfüllung Meiner fürstlichen Pflicht erhalten hat, welche Mir das Glück gewährt, noch den Lebensabenb mit Meiner geliebten Gemahlin zu teilen und auf eine kräftig emporwachfenbe Nachfolge von Kinbern, Enkeln und Urenkeln zu schauen. — — — Es giebt für Mich kein größeres Glück, kein erhebenberes Bewußtsein, als zu wissen, daß in solcher Weise die Herzen Meines Volkes Mir entgegen-schlagen. Möge mir diese Treue und Anhänglichkeit als ein teures Gut, welches die letzten Jahre Meines Lebens hell erleuchtet, erhalten bleiben! Mein ©innen und Denken aber soll, wie bisher, so auch ferner für die Zeit, welche Mir zu wirken noch befchieben fein wird, darauf gerichtet fein, die Wohlfahrt und Sicherheit Meines Volkes zu heben und zu fordern."
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