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1. Geschichten aus der Geschichte - S. 114

1890 - Königsberg i. Pr. : Koch
— 114 — wurde Martin zur Schule gebracht, und wenn das Wetter übel war, trug ihn der Vater auf seinen Armen dahin. Doch wurde das Knäbchen sehr streng gehalten und für jedes kleine Versehen hart gestraft. Als er 14 Jahre alt war, schickte ihn der Vater nach Magdeburg in die lateinische Schule, später nach Eisenach, wo die Mutter Verwandte hatte. Da er nur kümmerlich genährt wurde, sang er vor den Häusern für ein Stückchen Brot, bis eine gutmütige Frau sich des Knaben erbarmte und ihn in ihr Haus nahm. Nun konnte er ohne Sorgen studieren. Mit 18 Jahren bezog er die Universität Erfurt, erlangte nach vier Jahren durch seinen eifrigen Fleiß die Würde eines Doktors und wurde aus einem Schüler ein Lehrer an der Universität. Der Vater wollte, daß er ein Rechtsgelehrter würde, aber als er aus einer kleinen Reise von einem heftigen Gewitter überfallen wurde und dicht neben ihm ein Blitz in die Erde fuhr, der ihm die Besinnung raubte, sah er in seiner wunderbaren Rettung ein Zeichen der Vorsehung, daß er sein Leben und seine Wissenschaft ganz Gott weihen solle. Eines Abends versammelte er noch einmal seine Freunde um sich und war froh mit ihnen, doch als sie fortgingen, begab er sich an das Augustinerkloster und bat um Einlaß, denn er wollte Mönch werden. Von hier aus meldete er seinen Eltern und Freunden, welchen Beruf er gewählt. Der Vater war darüber sehr unwillig und zürnte ihm eine Zeit lang. Als Neuling mußte Luther viele niedrige Dienste thun, die Kirche auf- und zuschließen, die Klosteruhr stellen, mit dem Bettelsack durch die Stadt laufen und von den Bürgern Brot, Eier, Fische, Fleisch erbetteln; er, der gelehrte Mann, der sich an der Universität bereits einen ehrenvollen Namen erworben hatte. Nach zweijähriger Probezeit erhielt er die Priesterweihe. Aber nun kam eine schwere Zeit für ihn, ihn quälten Zweifel, er wurde an seinem frommen Glauben irre, und je mehr er um die Lösung der Zweifel bemüht war, desto mehr verwirrte sich fein Denken. Einmal schloß er sich für mehrere Tage in seine Zelle ein, ohne Speise und Trank zu sich zu nehmen, und er würde dort gestorben sein, wenn nicht ein treuer Freund die Thüre mit Gewalt geöffnet und ihn durch Musik, die er sehr liebte, aus seiner Ohnmacht erweckt hätte. Endlich gelang cs einem schlichten alten Mönch, ihn durch wenige Worte aus allen seinen qualvollen Zweifeln zu reißen. Die Worte fielen wie ein plötzlicher Lichtstrahl in feine Seele und gaben ihm feine Zuversicht wieder.
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