Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 69

1900 - München : Oldenbourg
Warum konnte sich in Deutschland keine Eibmonarchie entwickeln ? 69 le roi/« Ausserdem beobachten wir in Westfranken unter dem hohen Adel ein auffallend zahlreiches Aussterben der grossen Familien (das sogenannte »Geschlechtersterben«), das den Königen wiederholt Gelegenheit gab, bedeutende Gebiete als erledigte Kron-lehen einzuziehen. Nun noch zwei sehr wichtige Punkte. Die französischen Könige traten für die eingesessene Bevölkerung einfach an die Stelle der römischen Imperatoren, bezw. deren Stellvertreter (Prokonsuln, Statthalter). Waren sie also auch ihren Germanen gegenüber auf die Nutzniessung ihrer Domänen und die Naturalabgaben bei den Rundreisen angewiesen, so empfingen sie doch auch die Abgaben der römischen Bevölkerung in barem Gelde, und das ermöglichte ihnen, mehr an einem Platze sitzen zu bleiben und von hier aus das Land zu regieren. Dazu kam noch die Art und Weise der Rechtspflege. Hielt sich auch noch jahrhundertelang die germanische Rechtsprechung bei den grundbesitzenden Adeligen und Freien, so gewann doch die römische Rechtsprechung durch einen Richter, der womöglich Fachmann war, so sehr die Überhand (oder richtiger gesagt; behielt sie), dass auch dieser Umstand es den Königen möglich machte, mehr an einem Platze sitzen zu bleiben und sich in den Provinzen im allgemeinen durch Beamte vertreten zu lassen. So wurde Paris, das überdies auch ein schon von der Natur geschaffener geographischer Mittelpunkt ist, allmählich Hauptstadt und der Thron durch Gewohnheitsrecht erblich. Alles das ist in Deutschland umgekehrt. Bei Beginn des Sonderdaseins gibt es kein Staats- oder Nationalbewusstsein; es gibt keine Deutschen, es gibt nur Franken, Schwaben, Bayern, Sachsen u. dgl. Auch gibt es keine Hauptstadt, auch keine natürliche, wie etwa in Frankreich. Die Zusammenfassung unter Karl d. Gr. und seinen schwachen Nachfolgern war nicht nachhaltig genug, um den Deutschen das Gefühl, dass sie eine einheitliche Nation seien, einzuflöfsen. Im Gegenteil, alle uralten Traditionen wiesen auf Stammesbewusstsein und -eigenart hin. Diese Traditionen wurden neu belebt, als bei der Schwäche der späteren Karolinger die einzelnen Stämme gegen die Ungarngefahr im Osten und die Normannengefahr im Norden mehr oder minder auf sich selbst angewiesen waren. Die zusammenhaltende Macht der Kirche war nicht gross genug, um das Stammesbewusstsein zu unterdrücken. So musste ein kraftvolles Stammesfürstentum immer wieder aufleben, und alle Versuche der Kaiser, eine Erbmonarchie zu errichten,
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer