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1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 95

1900 - München : Oldenbourg
Die sogenannte >Schmach« von Canossa. 95 Radikalen. Ganz anders bei kirchlichen, politischen oder wirtschaftlich-sozialen Dingen. Wer sich freilich begnügt, die blossen nackten Thatsachen chronologisch auszuzählen, der kann leicht objektiv sein; aber er ist weder warm noch kalt, seine Darstellung packt nicht, er übt bei seinen Schülern höchstens das Gedächtnis, ihr Urteil bleibt stumpf, ihr Herz kalt. Die Darstellung verliert ihr Bestes, ihr warm pulsierendes Leben. Wer aber seinen Stoff genetisch anpackt, der merkt erst, wie unendlich schwierig es ist, über seinem Stoff, über den Parteien zu bleiben, wie leicht man in vorgefasste Meinungen verfällt, wie leicht man das zu finden glaubt, was man finden will, wie leicht sich historische Phrasen bilden, und wie sehr sie sich »wie eine ewige Krankheit forterben« und trotz aller Widerlegungen immer wiederholt werden, besonders wenn sie zum brauchbaren Rüstzeug im Parteikampfe geworden sind. Wenn also der Verfasser im folgenden als Beispiele für objektive Behandlung sich besonders die Besprechung einiger historischer Schlagwörter gewählt hat, so will er damit weder einer Partei, noch einer Konfession, noch einzelnen Personen irgendwie »eines anhängen«, da er zu gut aus eigener Erfahrung weiss, dass nur jahrelanges eingehendes und selbsterzieherisches Geschichtsstudium über die Sphäre dieser Schlagwörter hinausheben kann. Das kann man aber billigerweise nur von den wenigsten erwarten. a) Die sogenannte »Schmach« von Canossa. Sie gehört zu den beliebtesten Zugstücken, zu den Schlagern allerersten Ranges im Repertoire der nationalen »Zionswächter«, und trotz aller Widerlegung von seiten selbst protestantischer Historiker*) wird sie so bald nicht verschwinden; ist sie ja doch eine der wirksamsten Phrasen im politischen Parteikampf. Sehen wir dieser nationalen Schmach ruhig ins Auge! Heinrich Iii. war in der Blüte der Kraft, 39 Jahre alt gestorben. Ein 6jähriges Kind unter der Vormundschaft eines schwachen, den irdischen Dingen abgeneigten Weibes erbte den Thron. Heinrich Iii. hatte eine Stellung gehabt wie kein Kaiser vor noch nach ihm. Herzog von Franken, Schwaben, Bayern war er selbst, schon von den Zeiten seines Vaters her; in Sachsen pflegte er meistens persönlich zu residieren; seine Versuche, am Harze einen festen Sitz *) Wie z. B. Niebuhr, Nitzsch, Niehues , Duller , Dittmar , Pflugh-Harttung, Floto, Gregorovius, Giesebsecht, Pertz, Sugenheim und anderer.
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