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1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 116

1900 - München : Oldenbourg
Kampf gegen historische Phrasen. gesehen und nur in Kupferstichen vor sich hatte; dass er drittens bei seiner späteren Reise nach Italien die Gruppe achtlos überging'; dass er Behauptungen aufstellt, bei denen jedem Kenner »der Verstand stille stehen muss«, ja die »direkt unsinnig sind und sich selbst widersprechen« u. s. w. Man wende dem Verfasser nicht ein, diese Dinge hätten mit dem Geschichtsunterricht nichts zu thun. Wenn der Geschichtslehrer das Kulturgeschichtliche nicht übergehen darf — und das darf er nicht —, so kann er an Kunst, Kunstauffassung u. dgl. nicht ganz achtlos vorübergehen. Gerade Schmeding weist an köstlichen Beispielen nach, welches Unheil durch Lessings Laokoon*) in den Köpfen der Gebildeten angerichtet worden ist. Ein anderes, sehr interessantes Kapitel in der Würdigung Lessings trüge die Überschrift: »Lessing als Toleranzapostel«. Wir meinen natürlich das »Hohelied der Humanität, Toleranz« und anderer schöner Sachen, Nathan. Wir stehen nicht an zu erklären, dass wir mit dem Sinn und der Tendenz der Legende von den drei Ringen ganz und gar einverstanden sind. Aber wie hat Lessing Licht und Schatten auf seine Personen verteilt, wie hat er die poetische Gerechtigkeit walten lassen? Das Judentum ist vertreten durch einen hochedlen, durch und durch idealen Helden woher mag nur Lessing das Modell dazu genommen haben? —. Der Islam ist ebenfalls nur durch ideale Charaktere vertreten (Saladin, Derwisch, Sittah). Aber das Christentum! — Lessing ist selbst der Sohn eines christlichen Geistlichen —! Der Tempelherr ist ein ehrlicher, aber ungestümer, geistig wenig bedeutender Mensch, der Bruder Bönaeldes gutmütig, ehrlich, ohne Energie, mit einem Stich ins Pfiffige, Daja eine beschränkte, wenn auch ehrliche Person. Alle zusammen aber reichen auch nicht annähernd an die geistige und sittliche Höhe eines Nathan oder Saladin hinan. Und nun erst der Patriarch — ein widerlicher, abgefeimter Schurke! Woher mag wohl Lessing — um bei der obigen Frage zu bleiben — das Modell zu diesem Patriarchen genommen haben ? Aus der Geschichte gewiss nicht, denn da war es nicht zu finden. Wohl muss die dichterische Freiheit einen gewissen freien Spielraum haben; der Dichter darf geschichtliche Personen zu poetischen Zwecken ummodeln, er darf *) Dass man aus Lessings Laokoon thatsächlich auch manches Treftliche lernen kann, hat der Verfasser an anderen Stellen seines Buches bewiesen.
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