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1. Ferdinand Hirts historische Bildertafeln - S. 19

1886 - Breslau : Hirt
19 Reichen, in welche sich die grosse Frankenhei 1 schaff auflöste, ward das gleiche Schicksal wilder Anarchie und trostloser Stagnation zu teil. Bis in das 10. Jahrhundert beruhte die abendländische Kultur immer noch auf der Tradition der römischchristlichen Kaiserzeit, wenn auch diese Quelle nur in sehr dünnen und fast versiegenden Rinnsalen sich ergoss. Am meisten wehte der Hauch des antiken Lebens in Italien, wo in den Städten die alte Gewerbs- und Handelsthätigkeit nicht ganz erloschen war. Und als Otto I. die politische Verbindung zwischen Italien und Deutschland erneute, begünstigte sie die Förderung der Zivilisation nördlich der Alpen. Dazu trat der Verkehr mit Constantinopel, den schon Karl der Grosse angeknüpft hatte, und besonders seit der Vermählung Ottos Ii. mit der byzantinischen Prinzessin Theophano erhielt griechische Bildung am Hofe auf einige Jahrzehnte eine Pflegestätte. Aber solche fremde Elemente verkümmerten wieder und drangen nicht in weitere Kreise. Die ottonische Periode ist mehr als ein Ausläufer und Schlussglied der karolingischen Entwickelung zu betrachten. Und es mag wohl der Wahrheit entsprechen, dass die Gesandten der sächsischen Kaiser in Byzanz, wie am Kalifenhofe als die Repräsentanten halbgebildeter Barbaren erschienen. Im 11. Jahrhundert bemächtigte sich aber im Abendlande aller Gemüter eine gewaltige Unruhe; es gährte in allen Geistern. Dieselben erhielten durch die Berührung mit der islamitischen Welt, in welcher die verschiedenartigsten Kulturelemente sich durchdrungen hatten und zu einer nicht unwesentlichen Steigerung gelangt waren, eine besondere Auffrischung. Zunächst gingen die arabischen Einflüsse von der pyrenäischen Halbinsel aus, und hier war auch der Schauplatz, auf welchem im 11. Jahrhundert die Veredelung des mittelalterlichen Rittertums erfolgte. In dem Kampfe mit den Mauren fanden die Christen der nördlichen Ge-birgsstriche Unterstützung hauptsächlich durch französische Krieger. Die Glaubensstreiter unterwarfen die Führung der Waffen einem hohem, sittlichen Gesetz. Hier erhielten die Forderungen ritterlichen Ehrgefühls, die Verbindung kriegerischer Tugenden mit idealen Gesinnungen, die Romantik des ritterlichen Heldentums ihre Ausbildung. Dann war es die Kreuzzugsbewegung, welche eine umfassende Einsicht in die arabische Kulturwelt ermöglichte, einen unerschöpflichen Reichtum neuer Anregungen bot und durch die unermessliche Erweiterung des geistigen Horizontes der abendländischen Entwickelung die entscheidende Wendung gab. Nicht minder mussten die Kreuzzüge für die ideale Form des Rittertums, für die Kräftigung ritterlichen Sinnes, für die Verfeinerung der ritterlichen Institutionen günstig wirken. Und da der französisch-normännische Volksstamm in ganz überwiegender Weise an den östlichen Unternehmungen sich beteiligte, so dass die Kreuzfahrerstaaten gleichsam zu französischen Kolonien sich gestalteten, so kamen natürlich ihm hauptsächlich die segensreichen Folgen zu Gute. Durch ihre Ueber-legenheit erhob sich französische Gesittung rasch zum Muster für die ritterlichen und höfischen Kreise anderer Völker; französische Sprache bürgerte sich überall bei der vornehmen Gesellschaft ein und stieg zum Range einer internationalen Weltsprache auf; französische Kultur machte die Deutschen in ihrer Denk- und Lebensweise vollständig abhängig. Wir erkennen dies deutlich z. B. an der Kleidung. Freilich die alten Volkstrachten der mittleren und unteren Stände wurden sogleich nicht berührt. Zunächst also zeigen sich hier nur geringe Veränderungen. Sie bestanden hauptsächlich darin, dass man die Schenkelbinden aufgab und Socken von Filz, beziehentlich Halbstiefel von Leder anlegte (Tafel 17, No. 6). Doch blieb bei den Bauern der alte Bundschuh in Gebrauch. Allgemein trug man enganliegende Hosen d. h. Langstrümpfe, die bis zum Oberschenkel reichten und hier mit einem andern, schwimmhosenartigen Beinkleid (Bruoch) durch Schnüre verbunden waren, oder ganze, geschlossene Beinlinge. Erst in dem 13. Jahrh, gestatteten sich die niederen Gesellschaftsklassen den schon früh von Frankreich übernommenen Brauch der höheren nachzuahmen und die Männerkleider zu verlängern (Bogen 17, No. 7 u. 8) Die Vornehmen und Hofleute fanden dabei das Vorbild in dem Herrscherornat der Fürsten, die den Kleiderprunk und Pomp der byzantinischen Kaiser angenommen hatten, seitdem das fränkische Königtum mit der kaiserlichen Würde verbunden worden und mit dem oströmischen Reiche in Verkehr getreten war. Dargestellt in faltigen, tief über die Kniee herabreichenden Untergewändern und lang wallenden, weiten Mänteln erscheinen Rudolf von Schwaben, der im Jahre 1080 verstorbene Gegenkönig Heinrichs Iv., (Tafel 16 No. 1), König Wilhelm der Rote von England (t 1100; Tafel 17 No. 5), Gottfried Plantagenet, Graf von Anjou und Herzog der Normandie (f 1151; Tafel 16, No. 5). Für die Gewänder, deren die Männer wie Frauen mehrere übereinander trugen, kostbare, gemusterte Stoffe von Byzanz zu beziehen, sie mit nordischem Pelzwerk zu verbrämen und zu füttern, die Kleiderränder durch Stickereien u. s. w. zu verzieren und glänzende Schmuckgegenstände zu verwenden, griff immer mehr um sich. Selbst die Dienerschaft nahm an dem Prunke teil, wie aus den Abbildungen der beiden Pagen oder Knappen (Tafel ; 17 No. 3 u. 4) hervorgeht. Der eine von ihnen trägt als Kopfbedeckung eine Art Zeugkappe, über deren Form oben (zu Tafel 15, No. 8) zu sprechen Gelegenheit war, und in den Händen eine Schriftrolle; bemerkenswerter Weise ist sein langes Gewand, jeden-j falls um die eilige Bewegung des Gehens zu erleichtern, vorn vom Gürtel abwärts aufgeschlitzt, eine Form, welche den späteren Rock vorbereitet. Das Gewand des andern Pagen besteht zwar aus einem zusammenhängenden Stück, besitzt jedoch eine verschiedenfarbige Halbteilung der Länge nach vom Halse abwärts, um die Wappen färben des Herrn zur Schau zu stellen. Mit der Zeit verschritt aber Frankreich, das den Ton angab, zu Änderungen, indem die Verkürzung und Verengerung der männlichen Gewänder aufkam. Letztere führte des leichteren Anziehens wegen dazu, dieselben längs der Brust oder des Rückens ganz aufszuschlitzen und zum Knöpfen, beziehentlich Zuschnüren einzurichten (Tafel 17, No. 14 u. 15). Der untere Rock gewann dadurch den Charakter einer Weste mit Ärmeln, die ebenfalls Knöpfvorrichtungen besassen. Doch gehört diese Neuerung mehr in das 14. Jahrhundert. Solange die Verlängerung der Männerkleider bestand, näherten sich dieselben sehr den Frauengewändern. Für den Schnitt der letzteren wirkte nicht minder die französische Mode bestimmend, und darum ist die Darstellung einer französischen Dame aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts (Tafel 17, No. 9) von Wichtigkeit. Am meisten fällt dabei der neue. aber im 13. Jahrh, wieder verschwindende Brauch auf, die Ärmel des oberen Kleides zu Hängeärmeln zu erweitern; ausserdem ist dasselbe an der Brust etwas geöffnet, so dass es die reiche Halsbordierung des unteren Gewandes blicken lässt; das Haar fällt in langen Zöpfen geflochten herab; Kopfschleier und Schultermantel vollenden die Bekleidung. Überhaupt war der Mantel, der für beide Geschlechter die nämliche Form zeigte, das Staatskleid der Damen wie der Herren, gehörte zu den Bedingungen einer vornehmen Erscheinung auch in Deutschland (a. a. 0., No. 12) und blieb stets für Festlichkeiten erforderlich. Eine weibliche Figur vom Naumburger Dome zeigt den Mantel mit einem kleinen, an beiden Seiten dreieckig endigenden Umschlagkragen, und es fehlen die weiten Hängeärmel (a. a 0. No. 10). Es liegt das untere Kleid am ganzen Körper fest an (a. a. 0. No. 11). Die Frauen trugen darüber auch ein weiteres, ärmelloses Gewand (a. a. 0. No. 13), womit sich wiederum die männliche Tracht berührt (a. a. 0. No. 8), und zugleich tritt es auf jener Abbildung zu Tage, dass man auch in der Frauenwelt die Kleider und zwar oben auf der Vorder- oder Rückseite aufschlitzte und für das Zuschnüren einrichtete. Neben Kopftuch oder Schleier war als weibliche Kopftracht üblich das Gebende d. h. das Gebundene, ein Band, welches um Kinn und Wange laufend in Verbindung mit einer flachen, gesteift umrandeten Mütze zu stehen pflegte (a. a. 0. No 10); wo es der Rang verstattete, trat eine Krone hinzu. Letztere bestand für beide Geschlechter zumeist aus einem Goldreifen mit Edelsteinschmuck und lilienartigen Zinken. Dazu trat ein Zepter, der Herrscherstab aus Edelmetall, welcher verschiedenartige, dem Tier- (der Adler ist jedoch noch selten!) oder Pflanzenreich entnommene Verzierungen aufwies. Zum Ornate des Fürsten gehörte ausserdem der Reichsapfel, das Sinnbild des sich über die Erde erstreckenden Reiches. Doch erschienen die Könige natürlich nur bei feierlicher Gelegenheit in ihrem Herrscherornate, gleichwie die Weltgeistlichkeit und die Ritterschaft im Alltagsleben gewöhnliche Kleidung trugen. Was den geistlichen Ornat betrifft, so gelangte er später als im Morgenlande zu festen Formen, und die Trennung beider Kirchen, welche seit dem i. J. 726 entfachten Bilderstreit ihren Anfang nahm, macht es erklärlich, dass gewisse Abweichungen in der Gestalt der liturgischen Gewänder eintraten. Etwa seit dem 9. Jahrhundert hat sich die Form der letzteren in der katholischen Kirche fixiert: Sie bestehen hauptsächlich aus dem langen Untergewand (ursprünglich aus weisser Leinwand und daher Alba genannt), einem kürzeren Überziehkleid (Dalmatika oder Tuni-cella), das zuweilen (Tafel 17, No. 1) bogenförmig am untern Rande ausgeschnitten wird, und aus dem Messgewand (Pänula, Casula). Das letztere bewahrte zwar seine für den Gebrauch der Hände etwas hinderliche Glockenform, erhielt aber vielfach die glänzendste Ausstattung. Auf der Casula erscheint entsprechend der gabelförmigen (Y) Schulterbinde, welche in der griechischen Kirche üblich (vergleiche Tafel 13, No. 4 ff.), ein aufgenähter Besatz; der Gebrauch eines ähnlichen, aber beweglichen Streifens (Pallium) beschränkte sich auf Erzbischöfe. Als allgemeines Zeichen der priesterlichen Gewalt pflegte die Geistlichkeit die Stola, ein riemenartiges, langes Band, zwischen Alba und Dalmatica um den Hals gelegt zu tragen, dergestalt dass die mit Stickereien und Troddeln versehenen Enden bis zu den Füssen herabreichten und hier sichtbar waren. Für die Kopfbedeckung des Bischofs tritt seit dem 10. Jahrh, die Mitra auf, eine
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