Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Ferdinand Hirts historische Bildertafeln - S. 22

1886 - Breslau : Hirt
22 im Mittelalter durch das Istützlichkeitsprinzip bedingt; das Mobiliar kennt keine durchgebildete Formenüberlieferung. Der Stuhl, der Tisch u. s. w. ist in der Kegel nichts weiter als ein einfaches, aus vierkantigen Ständern und Querhölzern zusammengezimmertes Holzgestell, bei welchem ganz im Gegensatz zur antiken Kunstrichtung nur geringe Versuche stattfinden, das starre Strukturschema, die massige Schwerfälligkeit zu beleben. Im übrigen entzog man die Betten durchaus nicht, wie jetzt, dem Auge des Fremden, sondern wies ihnen in den dem Verkehr gewidmeten Räumen sogar einen Hauptplatz an und machte sie vielfach durch künstliche Schnitzarbeit zu Prunkgeräten. Bogen 18 und 19. Vom 14—15. Jahrhundert. Mit dem Beginn dieser Periode liegt der Verfall des Rittertums offenkundig vor. Hand in Hand war mit den Fortschritten der Kultur die Ausbildung des Geschmackes für alles, was das Leben verschönern kann, das Verständnis für die Reize der Kunst und der Luxus gestiegen. Die alte Schlichtheit, Sittenstrenge und Tüchtigkeit hatten der Prunk- und Genusssucht Platz gemacht, die guten Seiten der feineren Lebensart durch das Raffinement und die Entartung der Sitten in den ritterlichen Kreisen sich überwuchern lassen. Dafür gewinnt ein anderer Stand, welcher durch eigene Kraft sich zum Wohlstand und zur Selbständigkeit aufgeschwungen, eine wachsende Bedeutung: Der Bürgerstand überflügelt die eigentümliche Kultur des ritterlichen Zeitalters und stützt seit dem 14. Jahrhundert hauptsächlich die nationale Entwickelung. Die Mittel, zu denen der Bürger gelangt war, dienten ihm nicht nur zur Forterhaltung und Sicherung des Errungenen, sondern auch zur ferneren Ver-annehmlichung seines Zustandes überhaupt. Aus der bürgerlichen Gesellschaft gehen nunmehr die Vertreter der Bildung und die Künstler hervor, die für jene schaffen, den Geschmack jener repräsentieren. Die reicheren Bürgerklassen suchen es dem Adel im Aussern des Lebens gleich zu thun und nehmen von ihm die Umgangsformen an. Es werden nun feinere Sitten gewisser-massen ein Gemeingut, aber sie verlieren auch zum guten Teil ihren Reiz und ihre Anmut. Bei aller Gesinnungstüchtigkeit der neuen Gesellschaft erscheinen ihre Leistungen vielfach prosaischer und philiströser. Dabei bewahrte Frankreich, welches in so mannigfachen Beziehungen des Lebens die Führung übernommen hatte, sich diese Rolle. Massgebende Geltung behauptete es speciell in der Tracht. Und zwar beliebte man eine starke Verengerung der Gewänder bei beiden Geschlechtern, sowie eine zunehmende Kürzung des Oberkleides bei den Männern, wie schon auf Seite 19 erwähnt worden. Demgegenüber bewegte sich aber der Tagesgeschmack auch im andern Extrem. Der Einschnürung und Verkürzung wurde die Erweiterung und Verlängerung entgegengesetzt, und man schwankte zwischen den verschiedenen Bestimmungen der Mode, deren Zeitalter nunmehr beginnt. Der Kleiderprunk und das Geckentum, wogegen strenge Ordnungen und Verbote nichts auszurichten vermochten, erreichte eine erstaunliche Höhe. Die kostbaren Stoffe aber, welche man in grosser Fülle verbrauchte, kamen nicht mehr wie früher aus weiter Ferne, sondern es lieferte jetzt die gesteigerte Gewerbethätigkeit besonders der Niederlande geschmackvoll gemusterte Seidengewebe, Samt und Brokat (gold- und silberdurchwobene Stoffe). Und gerade der Hof der prachtliebenden Herzöge von der Bourgogne, welche während des 15. Jahrhunderts französische und deut sch-nieder ländische Gebiete in weitem Umfang vereinigten, bildete einen Mittelpunkt des übertriebenen Luxus. Von der erstaunlich vielartigen Formenmenge, welche die damalige Mode oft in widerwärtigen Ausartungen schuf, lässt sich hier nur weniges anführen. Zunächst die Schellentracht, welche hauptsächlich in Deutschland Beliebtheit genoss. Sie scheint ihren Ursprung daher gewonnen zu haben, dass der den Orientalen entlehnte bchellenbehang der Pferdegeschirre auf die menschliche Kleidung übertragen wurde. Männer (Tafel 19, No. 1) und Frauen der wohlhabenderen Klassen gingen gern mit tönenden Glöckchen „schurr, schurr und kling, kling“, bis man diesen merkwürdigen Schmuck etwa seit 1470 aus Überdruss beseitigte und dem Narrentum überliess, welches ihn danach zu einem bestimmten Abzeichen seines Standes machte. Kurze Zeit dauiuf veilor sich auch ein anderer Brauch, die geradezu unsinnige Zuspitzung der Schuhe. Sei es nämlich, dass man besonderes Schuhwerk anzog (hohe, zum Umschlagen eingerichtete Lederst] efel, wie sie der Knappe auf Tafel 19, No. 6 trägt, scheinen nur in beschränkter Anwendung für Reiten, Jagd u. s. w. üb ich gewesen zu sein), sei es dass die Beinkleider auch die i usse bedeckten und darunter Sohlen genäht waren (zum weiteren Schutz gab es in diesem Falle sogenannte Trippen, d h hölzerne, durch Querriemen an den Füssen befestigte Untergestelle; vergl. Tafel 19, No. 14), so verlängerte man die Spitzen ganz ungeheuerlich und liess sie vielfach in gekrümmten Schnä- beln auslauten, Es war dies eine Sitte, welche schon vor dem 14. Jahrhundert aufgetaucht war, dann aber allgemeine Verbreitung fand und Anfang des 16. Jahrhunderts in das Gegenteil umschlagend dem an den Zehen handbreit abgestumpften Schuh werk wich. Nicht minder ungebührliche Verlängerung liessen vornehme Männer auch den Ärmeln zu teil werden, so dass sie fast auf die Erde herabreichten und zur freien Bewegung der Hände erst zurückgeschlagen werden mussten (Tafel 19, No. 7). In hohen und in niederen Kreisen (ebenda No. 4) waren wallende Binden, welche um Hut und Schultern geschlungen wurden, sehr beliebt. Im Gegensatz zu dem Prinzip, gewisse Teile der Tracht extrem lang zu gestalten, stand die schon erwähnte Unsitte, die Männerkleider möglichst (nicht selten bis zur Unanständigkeit) eng und kurz einzurichten. Sie schloss jedoch nicht aus, dass man darüber bequemere Gewänder trug, wie z. B. die sog. Schaube, einen vorn offenen Überziehrock, welcher seit circa 1450 besonders in Aufnahme kam (ebenda No. 5). Auch folgten durchaus nicht alle der bizarren Willkür des Geckentums. Als Staats- und Zierkleid blieb unter dem Namen „Robe“ die lange und weite Tracht in allen Klassen der Gesellschaft, in allen Ländern üblich und gerade bei den ehrbaren Männern z. B. des Bürgerstandes (a. a. 0., No. 2—4), des Gelehrtenstandes (ebenda No. 12) u. s. w. in Gebrauch. Natürlich hielten sich auch die Frauenkostüme von Modethorheiten nicht frei. Die weiblichen Gewänder bestanden hauptsächlich aus einem oberen und einem unteren Rock, welche beide möglichster Verengerung unterworfen waren. Dazu trat ein ungebührliches Mass der Schleppe, die Aufschlitzung der Ärmel (um das Unterkleid zu zeigen; Tafel 19, No. 9) und der tiefe Ausschnitt an Hals und Schultern, womit nicht immer durch einen verzierten Brustlatz eine Verhüllung des Busens verbunden war. Die seltsamsten Formen wies der Kopfputz auf: Wulsthauben oder zuckerhutförmige Aufsätze mit Schleierbehang (Tafel 19, No. 10 u. 11). Die Mode beeinflusste auch den über der Rüstung getragenen Waffenrock. Derselbe bildete ein Schmuckstück des Ritters und erscheint z. B. auf der Abbildung des Herzogs Heinrich Iv. von Breslau (f 1290; Tafel 18, No. 1) mit dem Eigenwappen als Muster bunt gestickt. Als man um 1400 alle Säume der Kleidung in Zacken oder Zaddeln zu zerschneiden beliebte, nahm der Waffenrock die gleiche Form an (ebenda No. 4 u. 5). Derselbe schwand aber als kriegerischer Schmuck gegen das Ende unserer Periode. In dieser erhielt die bisher übliche Ringelflechtschutzbekleidung eine Verstärkung durch Auflegung von Metallstücken an einzelnen Stellen (des. Gelenkstellen) des Körpers: Knie-, Ellbogen- und Schlüterkapseln treten z. B. an der Rüstung des Königs Günther von Schwarzburg (f 1349; Tafel 18, No. 2) hervor; auch die Handschuhe weisen einen oberen Blechschutz aut. Zu weiteren Verbesserungen führte hauptsächlich der französisch-englische Krieg (1339—1453); in ihm zeigte sich die Gefahr, welche dem Ritter durch die Wucht der scharfen und schweren Bolzen entstanden, die von den mit Winden gespannten Metall bügeln der mächtigen Armbrüste entsendet wurden (Tafel 18, No. 11 u. 12). Auch begann sich die Wirkung der Feuerrohre zu äussern. Im 14. und 15. Jahrhundert tritt freilich die spätere, entscheidende Macht derselben in der Feldschlacht noch keineswegs hervor. Der Gebrauch von Feuerwaffen findet sich mit Bestimmtheit aber erwähnt für das Jahr 1324. Sehr primitiv jedoch blieben sie in ihrer Verwendung für den Handgebrauch bis zur Erfindung des Luntenschlosses (um 1378), und ihre Wirkung vermochte erst am Ende des 15. Jahrhunderts einige Sicherheit zu erlangen, als ein ordentliches Zielen dadurch sich ermöglichte, dass man den Schaft der Waffe fest an die Schulter und mit Hilfe eines Hakens an der Mündung (daher „Hakenbüchse“) auf eine Gabel, die in den Boden gestossen wurde, auflegte. Zeitiger errang eine Bedeutung das Geschützwesen, wenn auch noch nicht für die Feldschlacht, so doch für Belagerungen. Schon im 14. Jahrhundert verwendete man zum Brechen von Mauern u. s. w. „Bombardon“, welche entweder aus einem Stück Eisen oder aus Eisenstäben hergestellt waren, die man zusammenschweißte und gleich Fassdauben von aussen her mit schweren eisernen Ringen umgab. Am Anfang des 15. Jahrhunderts führte einen wichtigen Fortschritt der Bronzeguss für Kanonen herbei, und es verschwanden nun allmählich diö bei Belagerungen früher allein, dann nebenher gebrauchten Schleudermaschinen (Tafel 18, No. 13, linke Ecke). Man sieht sie nicht mehr auf der Abbildung der Belagerung, welche die Truppen des schwäbischen Bundes 1519 gegen die württembergische Veste Asperg unternahmen (ebenda No. 14). In der Mauer derselben erscheint die breite Bresche, welche in wenigen Tagen geschossen die Übergabe herbeiführte. Für den Kampf auf offenem Felde, für das rasch wechselnde, wesentlich von Reiterei getragene Gefecht zeigten freilich sich die Geschütze nur wenig verwendbar, weil es die grössten Schwierigkeiten verursachte, sie zu transportieren
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer