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1. Frauengestalten - S. 23

1898 - Wiesbaden : Behrend
— 23 — In den verschiedenen Zellen des Klosters aber herrschte mannigfache Thätigkeit, der eine saß mit Nadel und Zwirn bewaffnet auf dem Schrägen und besserte sein Gewand aus, ein anderer ordnete das Kopfhaar und brachte die etwas überwachsene Tonsur wieder zu straf)* lendem Glanze, und ein dritter ging mit gerunzelter Stirn in seiner Zelle auf und nieder, er hatte sich vorgenommen, in frei ersonnener Rede des hohen Gastes Ruhm zu preisen. Kein einziger Bewohner des Stifts war unberührt vom Eindrücke des vornehmen Besuches geblieben. Auch die weltabgeschiedensten Seelen fühlten, daß einer Frau Huldigung gebührt. Jetzt läutete das Glöckleiu, dessen Ton auch von den frömmsten Brüdern noch keiner unwillig gehört, der Ruf zur Abendmahlzeit. Der Abt geleitete die Herzogin ins Refektorium. Das Amt des Vorlesers vor dem Imbiß stand in dieser Woche bei dem Pförtner, er hatte der Herzogin zu Ehreu den 44. Psalm erkoren. Darauf begann die Mahlzeit. Der Küchenmeister, wohl wissend, wie bei An-kuuft fremder Gäste Erweiterung der schmalen Klosterkost gestattet sei, hatte es nicht beim üblichen Mus von Hülsenfrüchten bewenden lassen. Wohl erschien zuerst ein dampfender Hirsebrei, auf daß, wer gewisseuhaft bei der Regel bleiben wollte, sich daran sättige; aber Schüssel auf Schüssel folgte, bei mächtigem Hirschziemer fehlte der Bärenschinken nicht, sogar der Biber am oberen Fischteich hatte sein Leben lassen müssen. Fasanen, Rebhühner, Turteltauben und des Vogelherdes Heinere Ausbeute folgten; der Fische aber war eine unendliche Auswahl, so daß schließlich ein jedes Getier, rasendes, fliegendes, schwimmendes und kriechendes auf der Klostertafel seine Vertretung saud. Der Nachtisch brachte Pfirsiche, Melonen und trockene Feigen. Hierauf wurde — so wollte es des Ordens Regel — zur Erbauuug der Gemüter wieder ein Abschnitt aus der Bibel oder aus dem Leben der heiligen Väter vorgelesen. — Zum Schlüsse brachten sie verschiedene einfache Instrumente und musizierten. Die Herzogin aber meinte: „Es ist Zeit, schlafen zu gehen!" und ging mit ihrem Gefolge nach dem Schnlhause hinüber, wo ihr Nachtlager sein sollte. Früh morgens aber saß die Herzogin schon samt ihren Leuten im Sattel, um heimznreiten — und bald darauf lag das Kloster in stiller, behaglicher Ruhe. 6. Roswitha, die gelehrte Nonne. Die reiche Bildungssaat, welche zur Zeit der Ottonen über das deutsche Volk ausgestreut wurde, trug reife Frucht, und namentlich wuchs die Zahl der Frauenklöster in überraschender Weise. Überall suchten sich erlauchte Geschlechter durch Stiftung von Klöstern
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