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1. Frauengestalten - S. 86

1898 - Wiesbaden : Behrend
— 86 — laßten die damalige Kronprinzessin Carola, jetzige Königin von Sachsen (s. S. 94), Marie Simon an die Spitze eines neugegründeten Vereins für Krankenpflege, des „Albert-Vereins" (S. 96), zu berufen und sie so dauernd für das schöne Werk der Humanität zu gewinnen. — Die Kriegsstürme des Jahres 1870 waren entfesselt; mit unglaublicher Schnelligkeit eilte das Heer über den Rhein, um die bedrohten Grenzen des Vaterlandes zu schützen. Ihr auf dem Fuße folgte die freiwillige Krankenpflege. Wohlausgerüstet zu ihrer ernsten Thätigkeit und mit vielem Hilfsmaterial und Verbandzeug versehen, begab sich auch Frau Simon am 3. August als Abgeordnete des Albert-Vereins und Führerin seiner sechs Pflegerinnen anf den Kriegsschauplatz. Welche außerordentliche Thätigkeit sie hier entwickelte, wie segensreich sie hier wirkte, das sehen wir am besten an ihren Briefen, denen wir Nachstehendes entnehmen. Während der blutigen Kämpfe um Metz wurde sie nach Pont ä Mousson berufen, sie kam in der Nacht dort an, als die Verwundeten aus der Schlacht vom 16. August scharenweise dort eintrafen. Niemand in der Stadt wollte die Verwundeten aufnehmen. Im Seminar lagen deren mehr als tausend, und Massen von Wagen mit Unglücklichen, die nicht untergebracht werden konnten, standen noch auf den Straßen herum. „Wir besannen uns nicht," schreibt sie, „und brachen die Kirche auf, da man sie uns nicht gutwillig öffnete, und fuchteu nun hier die Armen unterzubringen. Zunächst sahen wir uns nach Stroh und sonstigem Material uni, worauf wir sie betten konnten. Es war hier kein Plätzchen leer, alle Gänge waren belegt. Wir suchten ein Faß Wein zu bekommen, und das war das einzige, was wir, mit Wasser vermischt, den armen erschöpften Menschen geben konnten. Es war eine schreckliche Nacht; in dieser einen Nacht habe ich mehr als fünfzig Jahre gelebt und gelitten; ich hatte nur eine Bitte zu Gott: um Kraft zum Ausdauern; mir ahnte, es käme noch Schlimmeres. Meine armen Pflegerinnen waren ebenfalls sehr erschöpft; ich konnte ihnen nicht einmal etwas bieten, um ihre Kräfte aufzufrischen, denn der letzte Rest von den Mundvorräten, die ich für unseren eigenen Bedarf mitgenommen hatte, war in der Nacht verteilt worden. Ohne irgend etwas genossen zu haben, mußten sie mit mir vom Verbinden fort und anf unseren mit Kisten bepackten Leiterwagen weiter nach Metz vor. Wir fuhren gegen zwölf Uhr mittags ab. Die Hitze war grenzenlos. Die Kolonnen wirbelten einen Staub auf, daß wir kaum die Augen öffnen konnten. Alle Ortschaften, die wir passierten, waren in größter Aufregung; wir hörten Kanonendonner und sahen Feuerschein, der von brennenden Dörfern herrührte. Um 8 Uhr abends kamen wir auf eine Anhöhe, wo wir in gerader Linie kaum eine
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