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1. Frauengestalten - S. 115

1898 - Wiesbaden : Behrend
— 115 — haben wünschten. Die verderblichen Folgen dieser mangelhaften und verfehlten Erziehung blieben nicht aus, und Heinrich hat bitter gebüßt. Eine Stütze und Erhebung in solch schweren Zeiten ward ihm dann sein treues Weib Bertha, die edle und tugendhafte Tochter des Markgrafen von Susa, die ihm fortgesetzt rührende Beweise ihrer Anhänglichkeit gab, obgleich er sie manchmal recht hart gekränkt hat. Der Papst Gregor Vii. hatte den jungen Kaiser in den Bann gethan und ihm die Krone abgesprochen. Anfangs spottete Heinrich darüber; da aber die deutschen Fürsten von ihm abfielen, so blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er Kaiser bleiben wollte, als die Lösung vom Banne nachzusuchen und nach Italien zu gehen, um sich mit dem Papste auszusöhnen. Einige Tage vor Weihnachten, es war im Jahre 1077 mitten im strengsten Winter, reiste Heinrich von Speier ab. Frau Bertha, seine edle Gemahlin, wollte ihn nicht verlassen, und obwohl es Heinrich nicht um sie verdient hatte, so scheute sie doch nicht die Gefahr und Mühseligkeit der Reise und wollte jede Not treu mit ihrem Gemahl teilen. Auch das kleine Söhnchen nahmen sie mit, und nur ein Diener verstand sich dazu, mitzureisen. So zog eine Kaiserfamilie nach Italien. Die Feinde Heinrichs waren aber bereits geschäftig gewesen, ihm die Pässe Tirols und der Schweiz zu verlegen, um die Aussöhnung mit Gregor zu vereiteln oder wenigstens über die festgesetzte Frist — der Papst hatte eilte solche von einem Jahre zugestanden — hinauszuschieben. So war die königliche Familie gezwungen, einen großen Umweg durch Frankreich zu machen. Die Reise war schon sehr beschwerlich, bevor man ins Gebirge kam, denn es gab damals noch nicht so bequeme Heerstraßen wie jetzt. Völlig unwegsam aber wurde die Bahn, als man ins Gebirge kam. Die hohen Bergrücken waren mit ungeheueren Schneemassen bedeckt, und ein eiskalter Wind riß den armen Reisenden die Haut ab vom Gesicht und von den Händen. Der Schnee war so hart gefroren wie Eis und so glatt, daß Menschen und Pferde jeden Augenblick in die Abgründe zu stürzen Gefahr liefen. Die Männer krochen auf Händen und Füßen; die Kaiserin aber und ihr Kind wurden in Rinderhäute eingenäht und so durch die Führer von den beschneiten Bergen abwärts geschleift. Den Pferden band man die Füße zusammen und ließ sie an Stricken hinab. Die meisten kamen dabei um; und nur nach unzähligen Mühen und Beschwerden erreichten sie die lombardische Ebene. — So langten sie endlich in den Mauern der toskonischen Festung Canossa an, wo Papst Gregor sich damals aufhielt und nach den schrecklichsten Demütigungen Heinrich vom Banne lossprach. Auch bei späteren harten Drangsalen, welche den Kaiser trafen, stand ihm stets die treue Liebe feiner edlen Gemahlin Bertha ermutigend und tröstend zur Seite. ' ^ 8*
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