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1. Aus der deutschen Geschichte vom Beginne des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart - S. 57

1912 - Langensalza : Beltz
— 57 — hatte und die körperliche und geistige Abspannung, welche den maßlosen Aufregungen und Anstrengungen der württernbergischen Katastrophe folgte, der wiederkehrenden Iugendkraft gewichen war, erwachte in mir das natürliche Verlangen, mich auf's neue im Kampf des Lebens zu versuchen. Vergebens aber sann ich, wie ich dieses Verlangen befriedigen könnte. Die dumpfe, tatenlose Schwüle, zu der ich nicht nur mich, sondern um mich herum das gesamte Vaterland verurteilt sah, drückte mich fast zu Boden. In diese trübe, trostlose Zeit — im dritten Jahre bereits hatte Deutschland die Schmach der übermütigen Franzosenherrschaft ertragen — fiel Österreichs Erhebung (April 1809) wie der erste Morgenstrahl der wieder zu erringenden Freiheit. Die Herzen der Patrioten lebten auf in neuer Hoffnung. Jetzt oder nie mutzten die unwürdigen Fesseln gebrochen werden. Alles hing davon ab, daß der günstige Augenblick nicht ungenützt vorüberging, daß Österreichs kühner Vorgang Preußen zu rascher Nachfolge und einem gemeinsamen Handeln belebte und ein entschlossenes deutsches Land sich im Rücken des Feindes erhob, während derselbe mit seinen Truppen an der Donau kämpfte. Als aber die preußische Regierung dennoch zögerte, glaubte der einzelne, seine Zeit zu entscheidender Tat sei gekommen. Am 28. April 1809, nachmittags 4 Uhr, verließ der Major von Schill Berlin unter dem Vorgeben eines Übungsmarsches mit seinem Regiments, zweite Brandenburgische Husaren. Unterwegs ließ er Halt machen und eröffnete dem Regimente, daß es nicht seine Absicht sei, in die Garnison zurückzukehren, sondern unverzüglich ins Feld zu rücken und das deutsche Volk in die Waffen zu rufen gegen die fremde Gewaltherrschaft. Jubelnd stimmten Offiziere und Soldaten ihm bei. Keiner, der daran dachte, was er etwa zurückließ, oder der die Gefahr des eigenmächtigen Unternehmens achtete. War doch das Regiment seinem tapferen und bewährten Führer mit Leib und Seele ergeben, war doch in jedes einzelnen Brust der Haß gegen Frankreich bis zum äußersten gestiegen. Schill wandte sich zuerst nach Sachsen, und die Kunde seines Unternehmens flog ihm nur wenige Schritte voraus. Es war am 30. April, als ich mit meinem Bruder Friedrich, von einem abendlichen Spaziergange heimkehrend, das Städtchen (Niemegk) in geheimnisvoller Aufregung und von den merkwürdigsten Gerüchten erfüllt fand. Der Major von Schill — so hieß es — stehe mit seinem Korps schon hart an der Grenze, bereit, dieselbe in jedem Augenblick zu überschreiten; ein größeres Heer ziehe ihm nach, der Krieg zwischen Preußen und Frankreich sei so gut wie eröffnet. Mein Herz begann bei diesen unerwarteten Nachrichten mächtig zu klopfen. Die Schmach von Jena brannte aufs neue, und die Erinnerung an den demütigenden Abzug von Erfurt entfesselte meine ganze Kampfeslust. Ich glaubte ein Märchen zu hören, und der Wunsch, daß das Gehörte dennoch Wahrheit sein möge, raubte mir fast den Atem. Kaum daß ich vermochte, meine ungeduldige Spannung bis zum andern Morgen zu zügeln. Am andern Morgen aber, noch ehe der Tag graute, stand Bruder-Fritz an meinem Lager, mich leicht am Arme rüttelnd:
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