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1. Aus der deutschen Geschichte vom Beginne des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart - S. 170

1912 - Langensalza : Beltz
— 170 — in der Übersetzung begriffen sei. Nachdem mir die Entzifferung überbracht war, welche ergab, daß Abeken das Telegramm auf Befehl Sr. Majestät redigiert und unterzeichnet hatte, las ich dasselbe meinen Gästen vor, deren Niedergeschlagenheit so tief wurde, daß sie Speise und Trank verschmähten. Bei wiederholter Prüfung des Aktenstückes verweilte ich bei der einen Auftrag involvierenden Ermächtigung Seiner Majestät, die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich sowohl unsern Gesandten als in der Presse mitzuteilen. Ich stellte an Moltke einige Fragen in bezug auf das Maß seines Vertrauens auf den Stand unserer Rüstungen, respektive auf die Zeit, deren dieselben bei der überraschend aufgetauchten Kriegsgefahr noch bedürfen würden. Er antwortete, daß er, wenn Krieg werden sollte, von einem Aufschub des Ausbruchs keinen Vorteil für uns erwarte: selbst wenn wir zunächst nicht stark genug sein sollten, sofort alle links rheinischen Landesteile gegen französische Invasion zu decken, so würde unsere Kriegsbereitschaft die französische sehr bald überholen, während in einer späteren Periode dieser Vorteil sich abschwächen würde; er halte den schnellen Ausbruch im ganzen für uns vorteilhafter als eine Verschleppung. Der Haltung Frankreichs gegenüber zwang uns nach meiner Ansicht das nationale Ehrgefühl zum Kriege, und wenn wir den Forderungen dieses Gefühls nicht gerecht wurden, so verloren wir auf dem Wege zur Vollendung unsrer nationalen Entwicklung den ganzen 1866 gewonnenen Vorsprung, und das 1866 durch unsre militärischen Erfolge gesteigerte deutsche Nationalgefühl südlich des Mains, wie es sich in der Bereitwilligkeit der Südstaaten zu den Bündnissen ausgesprochen hatte, mußte wieder erkalten. — In derselben psychologischen Auffassung, in welcher ich 1864 im Dänischen Kriege aus politischen Gründen gewünscht hatte, daß nicht den altpreußischen, sondern den westfälischen Bataillonen, die bis dahin keine Gelegenheit gehabt hatten, unter preußischer Führung ihre Tapferkeit zu bewähren, der Vortritt gelassen werde, und bedauerte, daß der Prinz Friedrich Karl meinem Wunsche entgegengehandelt hatte, in derselben Auffassung war ich überzeugt, daß die Kluft, die die Verschiedenheit des dynastischen und Stammesgefühls und der Lebensgewohnheiten zwischen dem Süden und dem Norden des Vaterlandes im Laufe der Geschichte geschaffen hatte, nicht wirksamer überbrückt werden könne als durch einen gemeinsamen nationalen Krieg gegen den seit Jahrhunderten aggressiven Nachbar. Ich erinnerte mich, daß schon in dem kurzen Zeiträume von 1813 bis 1815, von Leipzig und Hanau bis Belle-Alliance, der gemeinsame und siegreiche Kampf gegen Frankreich die Beseitigung des Gegensatzes ermöglicht hatte zwischen einer hingebenden Nheinbundspolitik und dem nationaldeutschen Aufschwung der Zeit von dem Wiener Kongresse bis zu der Mainzer Un-tersuchungskommission, unter der Signatur Stein, Görres, Iahn, Wartburg bis zu dem Exzeß von Sand. Das gemeinsam vergossene Blut von dem Übergange der Sachsen bei Leipzig bis zu der Beteiligung unter englischem Kommando bei Belle-Alliance hatte ein Bewußtsein gekittet, vor dem die Nheinbundserinnerungen erloschen. Die Entwicklung der Geschichte in dieser Richtung wurde unterbrochen durch die
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