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1. Freiburger Lesebuch - S. 112

1912 - Freiburg im Breisgau : Troemer
— 112 — Kind heimlich fortbringen in das bnrgundische Kloster Palma, wo ihre Schwester Äbtissin war. Nun fügte es sich, daß in jenen Tagen der fromme Bischof Erhard von Regensburg sich in Palma aushielt. Dieser taufte das blinde Kind, und als er ihm die Angen mit dem heiligen Öl bestrich, da wich die Blindheit von ihm, und es ward sehend. Der Bischof pries Gott wegen des Wunders und gab dem Kind den Namen Ottilie, das heißt Tochter des Lichts. Die Klosterfrauen hatten das Kind lieb und erzogen es sorgfältig. In der Stille des Klosters erblühte es zur stattlichen und lieblichen Jungfrau. Unterdessen war den Eltern Ottiliens auch ein Sohn geboren worden. Als dieser herangewachsen war, teilte ihm eines Tages die Mutter das Geheimnis seiner Schwester mit. Da schickte er ohne Wissen seines Vaters Wagen und Geleite in das Kloster Palma, um die Schwester nach Hause zu holen. Als sich Ottilie dem Schlosse näherte und Attich erfuhr, was vorgegangen war, da ergrimmte er heftig, und in seinem Jähzorn versetzte er seinem Sohne einen Faustschlag, sodaß er zu Boden stürzte. Zitternd und mit Tränen in den Augen stand Ottilie vor dem erzürnten Vater. Aber ihre Unschuld und Schönheit bezwangen schließlich dessen hartes Herz, er eilte auf sie zu und zog sie in seine Arme. Von Tag zu Tag gewann er seine Tochter lieber und hatte Wohlgefallen an ihrer Frömmigkeit und Demut. Weit und breit erscholl nun der Rns von der Tugend und Schönheit Ottiliens, und es fanden sich Fürsten und Grafen ein, die sie zur Ehe begehrten. Der Ansehnlichste unter ihnen war ein alemannischer Herzog, dessen Tugend, Reichtum und Herkunft den Eltern so wohl gefielen, daß sie einwilligten, ihm Ottilie zur Frau zu geben. Aber diese wollte nichts von einer Heirat wissen. Mit ehrerbietiger Demut bat sie ihre Eltern, von ihrem Vorhaben abzustehen. „Gott hat mir ans wunderbare Weise das Augenlicht geschenkt; deswegen habe ich Jesum Christum zum Bräutigam erwählt und gelobt, ihm zeitlebens zu dieueu. Nun kann ich ohne Untreue mein Wort nicht zurückziehen," entgegnete sie auf das Drängen des Vaters. Jetzt kamen wieder trübe Tage auf Hohenburg. Manches harte Wort mußte Ottilie von ihrem Vater hören, weil sie einen so ehrenvollen Antrag zurückwies. Als er schließlich gar drohte, er werde sie zur Ehe mit dem Herzog zwingen, da beschloß sie, die Flucht zu ergreifen. Sie hüllte sich in ein ärmliches Pilgergewand und verließ heimlich das Elternhaus. Anfänglich hatte sie die Absicht, wieder in das Kloster Pahna zurückzukehren. Aber sie überlegte sich, daß man sie hier suchen und zurückholen werde. Deshalb wandte sie sich dem Rheine zu und ließ sich von einem Fährmann übersetzen, um sich in dem fremden Lande au einem stillen Ort zu verbergen und ein demütiges und arbeitsreiches Leben zu führen. Unterdessen hatte man zu Hause ihre Flucht bemerkt, und der Herzog sandte seine Leute nach allen Richtungen zu ihrer Verfolgung aus. Er selbst durchstreifte mit einem Teil seiner Mannen die Gegend und gelangte
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