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1. König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. - S. 2

1897 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
sich berufen, die gottlos und unsittlich gewordene Menge, wie namentlich die Geistlichkeit, die sich vielfach ohne sittlichen und wissenschaftlichen Ernst in der nackten Verleugnung ihrer Kirchenlehre gefiel, durch ein Religions- und Censuredikt zur wahren Religion zurückzuführen. Man darf selbst an der Ehrlichkeit der Absicht zweifeln, und sicher entsprachen die Thaten den Worten nur wenig. Tenn nicht um eine Änderung der Herzen, sondern um die Beobachtung änßerer Formen, um das Bekenntnis mit dem Munde handelte es sich. Tie Aufklärung, deren ment sich rühmte, bestand nach Lefsings Ausdruck nur in der Freiheit, gegen die Religion so viel Sottisen auf den Markt zu bringen, wie man wollte. Aber durch Edikte, durch Examinatiouskommissionen und Katechismus-Ausgabeu war sie so wenig wie durch polizeiliches Nachspüren zu beseitigen. Unklar, wie sie gefaßt waren, öffneten die Edikte vielmehr der Heuchelei die Thore und ließen sich nur zu leicht gegen jeden, der sich unliebsam machte, gebrauchen. Die Thatsache, daß der König die zur Gräfin Lichtenan erhobene Wilhelmine Enke als seine Geliebte behandelte, daß er späterhin mit der Gräfin Jugenheim und nach berat Tode mit der Gräfin Dönhoff zu Lebzeiten seiner Gemahlin, der Königin Friederike, Ehen abschloß, wirkte aus den Hof wie die bürgerliche Gesellschaft als ansteckendes Beispiel und erwünschte Entschuldigung verderblich ein. Überdies aber hatte das Werk Friedrichs, so gewaltig es auch war, doch auch seine Schwächen, die gerade in der Größe Friedrichs beruhten, und die sich nun schnell fühlbar machten. Von vornherein eine Natur von unübertroffener Selbständigkeit und Arbeitskraft hatte Friedrich, wie wir sahen, selbst alles und jedes allein geleitet, ja, je älter er wurde, je mehr gewöhnte er sich, nur sich selbst zu vertrauen. Tie Gabe, welche der Vater bei aller Selbständigkeit und Eigenmächtigkeit gehabt hatte, Schüler zu erziehen, die sein Werk fortsetzen konnten, war Friedrich versagt worden. Tie harte Schule, tu welcher Friedrich Wilhelm I. den Geist seines Kronprinzen zur Arbeit und Pflichterfüllung erzogen hatte, ist dem jititgeit Prinzen von Preußen nicht geworden, wiewohl auch Friedrich es au hartem Tadel nicht hatte fehlen lassen-Tie Beamten aber waren nicht mehr wie znr Zeit von Friedrichs Thronbesteigung an Selbstthätigkeit gewöhnt, nicht mehr gezwungen, selbst zu denken, selbst zu erfinden, sondern vielfach wenigstens hatten sie sich gewöhnt, als gefügige Werkzeuge zu dienen. An die Stelle des Bewußtseins, einem Friedrich zu dienen, trat mehr und mehr nun eine geschäftsmäßige Routine, die es vergaß, daß die Form der Geschäfte nach den Bedürfnissen und Jdeeen der Zeit, nicht aber diese nach jenen zu bilden feien. Man gewöhnte sich, in den hergebrachten Formen den Grund der Größe des Staates zu sehen und bedachte nicht, daß jene für die Bedürfnisse ihrer Zeit getroffen seien, und daß das Sebeit stets neue Forderungen stellt, die ungestraft nicht vernachlässigt werden dürfen-Dennoch geschah mancherlei, was wohlthätig wirken konnte, wenn es nur mit Kraft durchgeführt wurde. Die Freiheit des Handels und des Verkehrs wurde durch Verminderung der Durchgangszölle und namentlich durch die Ab-
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