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1. Kaiser und König Wilhelm I. - Kaiser und König Wilhelm II. - S. 151

1897 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
151 für eine Stadt mit einer großen Bevölkerung, die Leiden einer Belagerung auf die Dauer zu ertragen, selbst wenn sie Lebensmittel genug besäße, wie dies ja bei Straßburg allerdings noch der Fall war. Aber der Mensch erträgt es nicht, von der Welt, von der Cirkulation abgeschlossen zu sein; die Luft selber vertreibt ihn zuletzt, sie treibt ihn zur Verzweiflung. Und diese Leute sprechen davon, daß Paris sich niemals ergeben würde! Wer Straßburg gesehen hat und Paris kennt, der wird sagen, daß es nur eine Frage der Zeit ist. Eine Belagerung ist zu gräßlich, auch wenn sie nicht mit solchen Greneln verbunden ist, als die Zerstörung Straßburgs. Alle Kellerlöcher mit Mist oder Eichenlohe verstopft, alle Thüren vernagelt, alle Portale mit Brettern verstellt. Es war noch alles da, wie es während der Belagerung gewesen; ich konnte noch alles deutlich sehen. Sogar die Plakate saßen noch an den Straßenecken, in welchen die Municipalkommission anzeigt, daß infolge des Milchmangels eine große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern und den Greisen eingetreten und daher ein jeder Bürger ersucht sei, nur die Hälfte feiner gewöhnlichen Portion zu verbrauchen und die andere in die Apotheken abzuliefern, um — wie es in dem offiziellen Teutsch heißt — „diesen interessanten Teil der Bevölkerung" (i. e. die kleinen Kinder und die Greise) zu retten. Ein anderes Plakat gab diejenigen Keller und unterirdischen Räume an, in denen die bedrohten Einwohner noch Schutz finden könnten. Und welch eine Luft in diesen Kellern, in welchen Mann und Weib, Alt und Jung, Herr und Knecht oft zu fünfzig zusammenlagen, kaum am Tage sich herauswagend, um sich an den Häusern hinzuschleichen — und auch das nicht ohne Gefahr. Eine halbe Stunde vor der Kapitulation wurden einer alten Frau, die aus dem Keller kam, von einem Granatsplitter beide Beine fortgerissen, und sie starb noch aus dem Wege ins Lazarett. Selbst in den Kellern kamen vielfache Verwundungen, ja Todesfälle vor, wenn die oberen Stockwerke getroffen wurden und zusammenstürzten. Man sagt, daß während der Belagerung dreitausend Menschen gestorben sind, teils au Blessuren, teils wegen der sonstigen gesundheitsgefährlichen Folgen der Blokade. Denn, wie gesagt, die Luft in diesen mit Mist verstopften, von Menschen überfüllten Kellern ist noch jetzt pestilenzialisch. Und nicht allein in den Kellern, auch in anderen großen Räumen über der Erde sind diese Miasmen; so z. B. in der Markthalle, wo von der Stadt die durch die Belagerung brotlos und hauslos Gewordenen morgens und abends zu Tausenden gespeist werden. Es war ein erhebendes Liebeswerk: Kopf an Kopf saßen sie dort, an langen Tischen — zweitausend auf einmal; doch es war mir nicht möglich, den Becher Weins zu leeren, welchen einer der auffichtführeuden Bürger mir reichte; die Ausdünstungen, die in dieser sonst so hohen luftigen Halle lagerten, waren zu niederdrückend. Langsam ging man daran, die Läden wieder zu öffnen, die Möbel aus den Kellern herauszuschaffen, die Karren, die mit Hausgerät beladen waren, fuhren durch die Straßen. Fast alle den besseren Ständen angehörigen Damen
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