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1. Slg. 1 - S. 37

1879 - Dresden : Meinhold
87 christliche Kirche eine höhere Anschauung, als die katholische ihm sein konnte. Wie Luther, so erkannte auch Melanchthon seitdem nur in der Bibel die Grundlage der christlichen Lehre. Wie berechtigt dieser Standpunkt sei, konnte damals die große Menge noch nicht ermessen. Nur bevorzugte Geister näherten sich dieser Erkenntniß. Aber wenn auch die Masse des Volkes, selbst die Hochstehenden und Gebildeten in großer Mehrzahl, dem Angelernten treu blieben, so war doch gesunder Sinn genug verbreitet, um Vielen zu zeigen, daß die schreiendsten Mißbrauche, auf welche Luther und Melanchthon hingewiesen hatten, wirkliche Mißbrauche seien; imd jemehr die herrschende Kirche aus leicht durchschaubaren Gründen jeder Reform entgegentrat, desto geneigter wurden Viele, auch denjenigen Sätzen jener beiden Männer, deren Richtigkeit nur die wissenschaftlich Hochgebildeten prüfen konnten, mehr oder weniger offen zuzustimmen. Nicht ohne Besorgniß, aber befangen in den althergebrachten Voraussetzungen und Ansichten sah die päpstliche Curie sich einen Gegner erwachsen, dem sie an Geist und Wissenschaft nicht gewachsen war. Wenn sie sich das Letztere auch nicht eingestanden haben mag, so hielt sie es nach den ersten vergeblichen Versuchen, Luther zum Widerruf zu bewegen, doch für geeigneter, durch Gewalt dem Angriffe ein Ziel zu fetzen. Indem von Seiten der Curie behauptet wurde, der Papst sei das Haupt der Welt, ja im Grunde selbst die Welt, und alle weltliche Gewalt sei dem Papste untergeordnet, ja selbst dem Kaiser stehe der Päpst so weit voran, wie dem Blei das Gold, wird es begreiflich, daß man mit Hochmuth anfangs, dann mit Erbitterung dem Urheber einer geistigen Bewegung entgegentrat, die jenen hochgeschraubten Standpunkt wesentlich gefährdete. Nachdem auch Eck im Februar 1520 eine gelehrte Beweisführung für jene römische Lehre von der Oberherrschaft des Papstes veröffentlicht hatte, nachdem in ähnlichem Sinne von den Universitäten zu Cöln und Löwen Erklärungen abgegeben worden waren, ohne doch die für Roms Ansprüche ungünstige Sachlage zu ändern, entschloß man sich in Rom zu entscheidenden Schritten. Eine strengkatholische Commission, an der allem Anschein nach auch Eck betheiligt war, wurde beauftragt, über Luther und seine Lehren ihr Urtheil auszusprechen, sowie überhaupt die strenge Kirchenlehre zur Geltung zu bringen. Jetzt erklärte sich der Papst in dem seit lange schon andauernden Streite der Dominicaner gegen die wissenschaftlicheren und neuen Ansichten zugänglicheren Augustiner zu Gunsten der Erstem; am folgenreichsten aber wurde es, daß am 16. Juni 1520 die Verdammungsbulle über 41 Sätze aus Luther's Schriften, die als ketzerisch bezeichnet wurden, ausgefertigt wurde. Nur 60 Tage wurden Luther zugestanden, um seinen Widerruf zu bewerkstelligen und steh dem Papste zu unterwerfen. Alle Schriften Luther's, auch die, welche die bezeichneten Irrthümer nicht enthielten, selbst die, welche er etwa noch zu schreiben beabsichtigen würde, sollten nicht verkauft oder gelesen werden, weil sie von einem „Feinde des christlichen Glaubens" herrührten; Jedermann sollte sie in's Feuer werfen, um Luther's Gedächtniß gänzlich aus der Gesellschaft der Gläubigen auszurotten. Geistlichen und Laien wurde mit den schärfsten Worten geboten, Luther und seine Anhänger einzufangen und dem Papste zur Bestrafung zu überliefern; die Belohnung für das „gute Werk" werde nicht ausbleiben. Jeder Ort, an welchem Luther und feine Anhänger geduldet wurden, sollte mit dem Interdikt belegt werden. Allenthalben in den Kirchen war die Bannbulle oder eine beglaubigte Abschrift derselben anzuschlagen.
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