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1. Slg. 2 - S. 28

1879 - Dresden : Meinhold
28 S3urg zu Prag gegenübersitzen. Der Eine, mit einem Zirkel und einem Polyeder in der Hand, sucht offenbar seinem Zuhörer mathematische Lehrsätze begreiflich zu machen; das neben ihm stehende Tellurium, der Himmelsglobus, das nach den Sternen gerichtete Teleskop lassen keinen Zweifel, welche Forschungen seinen Geist beschäftigen. Es ist Johann Kepler, einer der größten Söhne, die Deutschland je gehabt hat, sein Schüler, der Kaiser Rudolph Ii., der im Jahre 1576 ans seinen Vater Maximilian Ii. gefolgt war. Freilich war an ihm des großen Astronomen Mühe verschwendet, sein beschränkter, durch die Jesuiten nur zum Gehorsam gegen seinen Beichtvater erzogener Geist vermag dem kühnen Gedankenfluge seines Lehrers nicht zu folgen, ihn beschäftigt das Verlangen, in den Sternen die Zukunft zu lesen, den Stein der Weisen aufzufinden und die Kunst des Goldmachens zu entdecken, wo Jener sich mit Entzücken in die Betrachtung der ewigen Harmonie des Weltenbaues versenkt. Die Liebhaberei des Kaisers hatte jedoch das Gute, daß er feine Residenz Prag zum Hauptfitz der damals in Deutschland erwachenden astronomischen Thätigkeit zu derselben Zeit erhob, wo Galiläi in Italien seine unsterblichen Entdeckungen machte. Der Däne Tycho de Brahe, durch Intriguen aus feinem Vaterlande vertrieben, fand in Prag gastliche Aufnahme und sorgenfreie Muse, um seine Berechnungen über die Bewegungen der Himmelskörper vollenden zu können, und durch diesen wieder ward Kepler nach Prag gezogen. Das Leben dieses merkwürdigen Mannes bietet ein treues, aber trauriges Spiegelbild der Zeit, in der er lebte und die ihn nicht verstand. Als der Sohn eines armen Gastwirths 1571 zu Weil im Würt-temtier gischen geboren, wendete er sich auf der Universität Tübingen dem Studium der Theologie zu, aber bald, dem Drange seines Genies folgend, vertauschte er dasselbe mit dem der Astronomie und Mathematik, obgleich diese Wissenschaften damals noch so tief standen, daß die übrigen Facultäten mit Verachtung auf sie herabsahen. Noch nicht 22 Jahre alt, erhielt er von den Ständen des Herzogthums Steyermark einen Ruf als Profeffor der Mathematik und Moral an das Gymnasium zu Graz. Wenn er aber die Hoffnung hegte, sich feinen wissenschaftlichen Forschungen hier ungestört überlassen zu können, so ging diese keineswegs in Erfüllung. Schon nach zwei Jahren begann die Verfolgung, durch welche Erzherzog Ferdinand fein Land von der protestantischen Ketzerei säuberte; bei Todesstrafe wurde auch Keplern geboten, vor Sonnenuntergang die Stadt zu verlassen und die Güter, welche er durch feine Frau befaß, zu veräußern. In dieser schlimmen Lage traf ihn die Einladung Tycho de Brahes, nach Prag zu kommen und mit einem Jahrgehalte, sowie dem Titel eines kaiserlichen Mathematikus ihn bei der Berechnung der Himmelstafeln, die er feinem Beschützer zu Ehren die Rudolphinifchen nannte, zu unterstützen. Kepler nahm sie an und als Tycho im nächsten Jahre (1601) starb, ward Kepler fein Nachfolger als Director der kaiserlichen Sternwarte. Hier nun begann er feine großartige Thätigkeit mit der Entdeckung der elliptischen Gestalt der Planetenbahnen und der Gesetze ihrer Bewegungen, und die Erfindung des Fernrohres, welche damals die Welt in Bewegung setzte, diente nur dazu, die Wahrheit seiner Behauptungen festzustellen. Da aber zog der Sturz des Kaisers Rudolph auch für ihn die verhängnisvollsten Folgen nach sich. Sein Gehalt wurde ihm nicht mehr ausgezahlt, und um nicht mit den ©einigen zu hungern, sah er sich genöthigt, eine Professur am Gymnasium zu Linz anzunehmen. In den 15 Jahren, die er hier wirkte, entstand fein großes Werk, die Weltharmonik, vollendete er die Rudolphinifchen Tafeln unter Umständen, wie sie nicht trauriger sein können.
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