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1. Quellenlesebuch - S. 167

1912 - Leipzig : Hirt
27. Kaiser Wilhelm I. im Greisenalter. 167 1u / H : 27. Kaiser Wilhelm I. im Greisenalter. Von Erich Marcks (Kaiser Wilhelm I." 5. Aufl. Leipzig 1905, Duncker & Humblot). 1. Des Kaisers Persnlichkeit. In einer Flle farbiger Einzelheiten steht das Dasein Wilhelms während seiner Kaiserzeit vor unferm Auge. Geblieben war ihm, nachdem er 1872 eine ernste Krankheit berwunden hatte, die erstaunliche Gesundheit und' Spannkraft des Krpers und der Seele, der die Jahre verhltnismig doch wenig anzuhaben vermochten, und die sich ihm nach der Verwundung von 1878 noch einmal verjngt und erhoben hatte; geblieben die helle, rcksichtsvolle Freundlichkeit zu.allen, die ihm nahetraten, die Neigung zum Scherze wie zur Weichheit, die groherzig naive Einfachheit -auch die Einfachheit des tglichen Lebens, der Kleidung, der Lagerstatt, und zugleich die Freude an der weiten Welt, die noch der 90 er rstig durchreiste. In Berlin flo sein Tag unter Aktenarbeit und Vortrgen, Mahlzeiten, Ausfahrten ganz regelmig dahin; alle seine Gewohnheiten liefen unverndert weiter. Da waren sein eigent-lichstes Lebensgebiet jene engen Zimmer im Erdgescho seines Palastes, das letzte zumal, wo sich die tausend Zeichen persnlicher Erinnerung, Bilder und Stawetten und allerlei kleine Geschenke seiner Angehrigen, Freunde und Diener die Jahrzehnte hindurch aufhuften und ihn immer dichter umdrngten, so da in all diesem Gewirr kaum eben noch Raum blieb fr die Aktenmassen, fr den Tisch, an dem sein Kanzler ihm gegenbersa, fr seinen eigenen Schreibtisch und das Pult mit dem hohen, lehnenlosen Stuhle: er fand sich in allem zurecht und trennte sich von keinem der alt-vertrauten Stcke. Hier im Palais umfing ihn die gleichmige Macht der Jahre am strksten; hier sa seine Gemahlin ihm beim gemeinsamen Frhstcke gegenber und bte jenen sonderbaren Einflu auf ihn aus, dessen psychologische Grundlage nach Bismarcks Analyse aus Ritterlichkeit gegen die Frau, aus legitimistischer Verehrung fr die Frstin, und aus all den kleinen Wirkungen langer Gewhnung und tglicher Rcksicht auf Frieden und Behaglichkeit zusammengesetzt war. Des Abends, ging Wilhelm gern in Schauspiel oder Oper und nahm danach an der feinen geistigen Geselligkeit wieder in den Gemchern der Kaiserin teil. Auch die groe Reprsentation fuhr er fort zu den, in majesttischer Pracht und Wrde, hier wie stets, wo er aus der Stille heraustrat, voll untrglichen Taktes, gtig und ritterlich; treu ist ihm auch die Freude an Frauenanmut und -schnheit geblieben. Allsommerlich zog er in sein geliebtes Babelsberg hinber, das er geschaffen hatte und bis in das kleinste hinein kannte; und weiter in die Bder, Ems, Gastein, Baden-Baden; in Koblenz traf er fr ein Weilchen mit der Kaiserin zusammen. Die Arbeit folgte ihm berall-hin, wenn er auch gern noch in Berlin das Wesentliche erledigte und sich dann harmlos freute, einmal einen Tag frei" zu bekommen. Die letzten Jahrzehnte hindurch hielt er seine treuen Gehilfen, Albedyll und Wilmowski, an der Spitze des Militr-und Zivilkabinetts fest: berall trachtete er ja, an den Stellen, mit denen er perfn-liche Berhrungen hatte, die Alten, ihm Bekannten zu belassen; er betrauerte den Rcktritt Delbrcks und nahm am Ergehen all feiner hohen Diener, eines Maybach etwa, einen innigen Anteil. Beim amtlichen Vortrage freilich bte er die volle fach-
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