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1. Neuzeitliche Weltgeschichte der Weltmächte - S. 99

1908 - Leipzig : Wunderlich
— 99 — unmöglich gemacht. Dies mußte für Polen verhängnisvoll werden, seitdem die russischen Zaren, die völlig unumschränkt herrschten, jden Drang in sich fühlten, ihr Reich um jeden Preis nach Westen zu auszudehnen, seitdem sie die reine, vollendete Gebietspolitik zum Grundsatz erhoben. Polen war ein reiner Ackerbau st aat. Einen Handwerkerstand gab es kaum, außer in den von Deutschen gegründeten Städten, namentlich in Posen. Aber auch hier tat die polnische Wirtschaft alles, um das städtische Bürgertum niederzudrücken und jede wirtschaftliche Blüte zu knicken. Beschworne und verbriefte Rechte trat man mit Füßen und verletzte sie ohne Bedenken. Der Bauernstand seufzte unter einer unerträglichen Leibeigenschaft und Ausbeutung. Seinem jherrn rechtlos und schutzlos preisgegeben, lebte der polnische Bauer stumpfsinnig dahin, froh, wenn er feinen Hunger mit Brot und feinen Durft mit Branntwein stillen konnte. Von Fleiß, Sparsamkeit, Selbsttrieb war keine Rede. Gänzlich mangelhaft war die Feldbestellung und höchst armselig die Erträge. Die Geistlichkeit hatte ungeheuern Grundbesitz und hielt das Volk in größter Unterwürfigkeit und das Jesuitentum unterdrückte die Andersgläubigen mit roher Gewalt. In Thorn und anderwärts mußten viele Protestanten ihres Glaubens halber unterm Henkerbeil verbluten. Am verhängnisvollsten war die Zerklüftung und die unaufhörliche Feindschaft der Adelsparteien. Innerhalb eines halben Jahrhunderts (1652—1704) sprengten sie von 55 Reichstagen 48. Unter dem Könige August Iii. (1733—63) kam überhaupt kein einziger zustande. Die Mitglieder erschienen mit den Massen und machten wohl gar den Reichstag zur Walstatt. Ihre Stimmen verkauften sie und riefen meistens die Hilfe des Auslandes an. Die Finanzen waren völlig zerrüttet; niemals reichten die Einnahmen zur Deckung der Ausgaben. Eine leistungsfähige Wehrmacht gab es nicht. Die adlige Reiterei war zuchtlos, die Artillerie bestand aus 100 Mann, die Infanterie aus ausländischen Söldnern. Recht und Gesetz wurden frech mißachtet und die Beamten bestahlen ohne Scheu und Strafe die Staatskasse. Diese polnische Mißwirtschaft mußte nicht allein den Niedergang, sondern sogar den Untergang des polnischen Reiches verschulden. An politischer Macht und an Gebiet büßte es auch gar bald ein. 1657 schüttelte der preußische Herzog Friedrich Wilhelm die polnische Lehnshoheit ab. 1667 nahm ihm Rußland Smolensk, Kiew und das Land östlich vom Dniepr ab, während ihm die Schweden, meist unter Gustav Adolf, die Ostseeprovinzen entrissen. Immerhin war Polen 1772 noch ein Reich von rund 620000 qkm und 14 Millionen Einwohnern. Freilich war die Bevölkerung sehr gemischt und bestand nur zur kleinen Hälfte aus „Polen"; die übrige fetzte sich aus Kleinrussen (Rnthenen), Großrussen, Lettoslawen, Juden, Deutschen usw. zusammen. 7*
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