Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Die neue Zeit - S. 18

1895 - Leipzig : Dürr
— 18 — daneben den besonderen Wunsch, daß einmal ein tüchtiger Rechtsgelehrter aus ihm werden möchte. Unter harten Entbehrungen, sich mit Singen vor den Thüren sein Brot erwerbend, besuchte er, nachdem er das Vaterhaus verlassen, die lateinischen Schulen zu Magdeburg und Eisenach; hier, im Thüringerlande, nahm sich eine Kaufmannsfrau, die Witwe Cotta, seiner an, gab ihm Wohnung und beköstigte ihn. 1501 bezog er die Universität Erfurt, um Rechtswissenschaft zu studieren, aber schon nach kurzer Zeit wandte er sich der Theologie zu. Ein tiefes religiöses Bedürfnis und außerdem eine heftige Gemütserschütterung, hervorgerufen durch den plötzlichen Tod eines Freundes, reiften den Entschluß in ihm, Mönch zu werden. Im Jahre 1505 trat er in das Augustinerkloster zu Erfurt ein. Mit strengster Gewissenhaftigkeit unterzog er sich jeder Anforderung des abgelegten Gelübdes, betete unzählige Male den Rosenkranz ab, fastete, ging betteln, kasteite sich, aber bald sah er ein, daß er in dieser Werkheiligkeit den Frieden der Seele nicht finden würde. Durch das Studium der Kirchenväter und der heiligen Schrift gelangte er zu der, das innerste Wesen des Christentums erfassenden Einsicht, daß nicht die Werke, sondern der Glaube gerecht und selig mache, und die väterliche Teilnahme des Ordensvorstehers Dr. Staupitz gab ihm auch die Thatenlust und Lebensfreudigkeit zurück; unumwunden sprach er aus, was ihn bewegte. Bald sollte er auf einem größeren Schauplatze thätig sein. Sein hoher Gönner Dr. Staupitz empfahl ihn dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen, dieser berief ihn an die 1502 gegründete Universität zu Wittenberg als Professor und übertrug ihm außerdem das Predigeramt an der Schloßkirche. 1511 unternahm er im Aufträge seines Ordens eine Reise nach Rom; dort lernte er die Verweltlichung der Geistlichkeit und die äußere Frömmigkeit der Menge an erster Stelle kennen. Empört darüber kam er zurück, der Zorn schärfte fortan sein Auge für die Mißbräuche in der Kirche. Nicht lange darnach zog der Ablaßkrämer Tetzel unter dem Schutze des Erzbischofs von Mainz durch Thüringen und bot an allen Orten Briefe oder Zettel aus, die für die verschiedensten Sünden Vergebung zusicherten. Tetzel verkaufte sie nach einer gewissen Taxe, so bezahlte z. B. der Kirchenräuber 9 Dukaten, der Totschläger 7, der Hexenmeister 6, der Eltern- oder Geschwistermöder 4. Der Erzbischof Albrecht von Mainz hatte nämlich einen großen Sündenerlaß (Ablaß) ausgeschrieben und betrachtete die Angelegenheit zugleich als Geldgeschäft, indem er von den Spenden der Gläubigen und Büßenden die Schulden tilgen wollte, in die er durch die Abgaben an den Papst bei seinem Amtsantritte geraten war. Um, wie es Sitte und Vorschrift war, das
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer