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1. Biographische Geschichtsbilder aus alter und neuer Zeit für den vorbereitenden geschichtlichen Unterricht (Quinta) - S. 128

1883 - Heidelberg : Winter
128 Deutsche Heldensagen. ihrer Kammer, und es war ein schlimmes Wagestück die alte Teufelin zu wecken; doch trieb sie die Angst vor der Kälte und so faßten sich die beiden Mädchen ein Herz und gingen vor das Bett Gerlindeus und brachten ihre Bitte an. Gerlinde horte sie halb im Schlafe und fuhr sie an: „Was geht ihr nicht an den Strand, ihr faulen Mägde, und waschet meine Kleider?" Hildburg antwortete: „Es ist in der Nacht ein tiefer Schnee gefallen, und wenn wir nicht mit Schuhen hinausgehen dürfen, fo müssen wir beide eines jämmerlichen Todes sterben". „Nichts da von Schnhen", antwortete die teuflische Wölfin, „ihr müßt barfuß hinaus und wenn ihr nicht fleißig wascht, so wißt ihr, was euch erwartet. Solltet ihr aber erfrieren, so ist an eurem Tode nichts gelegen." Weinend nahmen die armen Königstöchter die Kleider und gingen fort. „Gebe Gott", rief Gudrun der Teufelin zu, „daß Ihr nicht an diese Grausamkeit zurückdenken müßt." Darauf liefen sie mit bloßen Füßen durch den Schnee an den Strand und wuschen die Kleider, daß ihnen die schönen Glieder vor Frost und Kälte zitterten. Oftmals aber schickten sie Blicke auf die Flut vor sich, ob nicht die Boten nahten, welche Hilde ausgesendet hatte, um sie auszusuchen. Nach langem Harren und Warten sah Hildburg auf dem Meere zwei Männer in einer Barke kommen. „Gndrun", sagte sie, „siehst du die beiden Männer, die auf uns zurudern? Sollten es wohl die Boten deiner Mutter sein?" Da klagte Gudrun: „Wehe mir Armen, daß mir alles Jammer schaffen muß, möge es nun Frende oder Leid sein. Denn wenn diese Männer Hildens Boten sind, so könnte ich nimmer die Schande überwinden, daß sie mich an dem Meeresstrande sollten waschen sehen. Was soll ich thun? Rate mir, liebe Hildburg, soll ich fliehen oder mich treffen lassen in schmachvoller Erniedrigung?" Hildburg antwortete: „In so hohen Dingen begehre nicht meinen Rat; was du auch thun wirst, ich folge dir und bleibe bei dir, es möge dir übel oder gut ergehen". Da machte sich Gudrun auf und floh davon, und Hildburg folgte ihr eilends nach. Doch waren die beiden Männer bereits fo nahe, daß sie der Frauen inne wurden und sahen, daß sie von ihren Kleidern flohen. Rasch sprangen sie aus der Barke, riefen den fliehenden Mädchen nach: „Ihr schönen Wäscherinnen, warum fliehet ihr doch? Fremde Leute sind wir, und wenn ihr den Strand verlasset, so werdet ihr die kostbaren Kleider verlieren". Erst nach Herwigs Vertrauen erweckendem Zureden kehrten die beiden Mädchen um. Ortwin aber sprach: „Nun lasset uns hören, gute Jungfrauen, wem diese kostbaren Kleider auf dem Strande gehören, oder in wessen Dienste ihr waschet. Möge es Gott
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