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1. Neuere Geschichte von 1648 - 1888 - S. 191

1903 - Leipzig : Teubner
§ 34. Die innere Entwicklung Deutschlands in den Jahren 1871—1890. 191 Vaterland, Kirche und Christentum verächtlich zu machen. Die Bestrebungen von Schulze-Delitzsch, durch Gründung von Konsum- und Kreditvereinen die Selbsthilfe der Arbeiter ins Leben zu rufen, suchten sie durch Hohn und Spott zu vereiteln. Die Teilnahme der „Genossen" an den Reichstagswahlen und die der sozialistischen Abgeordneten an den Reichstagsverhandlungen dienten ihnen nur zur Aufhetzung. Diese Richtung schloß sich eifrig an die von Marx in London 1862 gegründete „Internationale Arbeiterassoziation" an. Erst als sich die Anhänger Lassalles und die Bebel-Liebknechtsche Richtung 1875 zur großen sozialdemokratischen Partei in Gotha vereinigten, fielen dieser immer größere Teile des Arbeiterstandes zu. Die Siegeszuversicht stieg, die Wildheit des Hasses gegen alle bestehenden Ordnungen wuchs maßlos. Die Menge der Zeitungen, Flugschriften und Bücher, mit denen diese wilde Aufhetzung der unteren Klassen gegen die oberen betrieben wurde, nahm reißend zu. Der aufgesammelte Haß entlud sich in zwei fluchwürdigen Mordversuchen, die auf das ehrwürdigste Haupt Deutschlands, Kaiser Wilhelm I., gemacht wurden: am ±1. Mai 1878 von dem Klempnergesellen Hödel und am 2. Juni 1878 von Dr. Nobiling, der den Kaiser durchs mehrere Schüsse schwer verwundete. Feu" nahm Bismarck den Kampf gegen die Partei, die Deutschland ins Verderben zu stürzen drohte, mit der ganzen Macht des Staates auf. Durch eine Reihe strenger Gesetze suchte er die Sozialdemokratie zu unterdrücken (1878 — 1890). Alle sozialdemokratischen Vereine wurden verboten, alle Zeitschriften dieser Partei unterdrückt, alle Versammlungen untersagt und jede Aufwiegelung mit Strafe bedroht. Die Gesetze wurden sofort mit Strenge durchgeführt, über Berlin, Hamburg, Leipzig und Frankfurt a. M. der kleine Belagerungszustand verhängt, die Parteiführer wurden ausgewiesen. Aber die Partei setzte im geheimen ihre Arbeit fort, und der innere Trotz wuchs. Bei der Enthüllung des Niederwalddenkmals (1883) wurde gegen den Kaiser und die deutschen Fürsten ein furchtbares Attentat versucht. Bismarck ging mit immer schärferen Maßregeln vor, aber das „Sozialistengesetz" wurde vom Reichstage immer nur auf kurze Fristen verlängerk^zul^t 1888; es erlosch am 1. Oktober 1890. Triumphierend erhob die Partei ihr Haupt wieder; doch ihre maßlose Wildheit war gezähmt, ihre Siegeszuversicht gedämpft und die augenblickliche Gefahr beseitigt. Die sozialdemokratischen Abgeordneten hatten sogar eine Regierungsvorlage (die Postdampfersubvention) im Reichstage durchbringen helfen. Vor allem bei den Wahlen hat die Partei ihre letzten Ziele und ihr eigentliches Wesen verhüllt und dadurch die Zahl ihrer Reichstagsabgeordneten 1898 auf 56 erhöht; nach der Zahl der für sie abgegebenen Stimmen ist sie die größte Partei. Selbst unter der Landbevölkerung beginnt sie sich zu verbreiten, jedoch nicht da, wo ein freier Bauernstand besteht. Wenngleich aber die Sozialdemokratie es zunächst aufgegeben hat, mit revolutionärer Gewalt bei erster Gelegenheit den Staat umzustürzen und auf den Leichen aller Widersacher ihre Herrschaft aufzurichten, vielmehr nur schrittweise überall vorzudringen und Bauern und Bürger sür sich zu gewinnen sucht, so ist die Gefahr für das Vaterland doch keineswegs geschwunden. Dies wird erst dann geschehen, wenn der vierte Stand durch die stetige Ver-
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