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1. Das Jahrhundert des Großen Kurfürsten - S. 22

1891 - Berlin : Verl. der Buchh. der "Dt. Lehrer-Zeitung"
— 22 — er seine Gemahlin nannte, zum Tische des Herrn gehen sollte. Am Neujahrstage 1616 sagt er in einem Briefe an die Kurfürstin, daß unter den vielen Strafen, mit welchen Gott ihn heimgesucht, nicht die geringste die sei, daß sie beide im vorgerückten Alter verschiedenen Glaubens wären. Johann Sigismund hat bei der Annahme des calvinistischen Bekenntnisses als der erste aller deutschen Fürsten den Grundsatz der Glaubensfreiheit verkündigt und nachher wirklich befolgt. Bis dahin hatte man es für selbstverständlich gehalten, daß jeder Herrscher diejenige Konfession, welche er annahm, auch in seinem Lande einführte. Johann Sigismund aber sprach es offen aus, daß er, wenn er auch von den Vorzügen seiner eigenen Konfession überzeugt wäre, diese doch niemandem aufdringen, die lutherischen und reformierten Unterthanen vielmehr völlig gleichhalten wolle. Solche Toleranz beruhte, wenn sie auch politisch vielleicht geboten war, bei ihm doch auf innerster Überzeugung. Die Fürsten, welche nach ihm den Thron einnahmen, sind ihm darin gefolgt, und unser Brandenburg ist vor allen andern Ländern zu einer Stätte religiöser Duldung und ein Zufluchtsort derer geworden, die um ihres Glaubens willen anderwärts Not und Verfolgung auszustehen hatten. Die Toleranz des Kurfürsten vermochte leider nicht, die heftig erregten Gemüter zu besänftigen; nichts kam der Aufregung im eigenen Sande, nichts dem Zorne der lutherischen Eiferer gleich. Durch die dreistesten Predigten hetzten sie das Volk auf, schilderten die reformierte Lehre als etwas ganz Abscheuliches, schalten auf die verdammte Calvinisterei in den allerschlimmsten Ausdrücken und schmähten in ihren Schriften die Person und die Ehre des Kurfürsten in unerhörtester Weise. Einer dieser Heißsporne hatte die Frechheit, in einem Buche über die Ausbreitung der Lehre Calvins bei Anführung der Rede, welche der Kurfürst in Bezug auf feinen Religionswechsel Zu den Landständen gesprochen, dieselbe mit den Worten zu illustrieren: c'^üg’, Teufel, lüg’"! Die Gründe, welche der Kurfürst für feinen Übertritt angegeben, nannte er „Erzlügen". Es fruchtete nicht sonderlich, daß Johann Sigismund in einem Edikte (1614) den Geistlichen gebot, sich auf den Kanzeln des Lästerns, Verdammens und der Schimpfworte zu enthalten. Ebenso verlies eine Unterredung auf dem Schlosse zu Kölln zwischen lutherischen und reformierten Predigern, von der man eine gütliche Beilegung des Zwiespaltes erhofft hatte, erfolglos. Von Wittenberg aus hielt man den Geist des Widerspruchs unter den brandenbnrgischen Pfarrern lebendig, so daß diese sich hartnäckig gegen Frieden und Einigkeit sträubten. Durch die gemessenen Befehle des Kurfürsten in die Enge getrieben, gaben sie endlich mit Handschlag das Versprechen, sich künftig einiger Mäßigung zu befleißigen. Doch hals alles dieses nicht lange; es ging bald wieder in der alten Weise fort. Wenn auch der eine oder andere der Unruhstifter aus dem Lande gewiesen wurde, wie der Domprobst Gedicke zu Berlin, blieben doch noch genug übrig, welche die Menge aufwiegelten und den Fürsten um die Liebe seines
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