1892 -
Berlin
: Nicolai
- Autor: Schillmann, Richard
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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zog geschickte Arbeiter aus dem Auslande herbei, aus Böhmen, der Schweiz und anderen Ländern, und legte selbst Fabriken an. So eine Tuchweberei in der Klosterstraße zu Berlin (hier wurde das blaue Uniformtuch hergestellt, welches man zu des Königs Freude auch im Auslande begehrte), die Gewehrfabrik in Spandau. Landwirtschaft und Gewerbe müssen sich in die Hände arbeiten. Das Gewerbe wandelt die Rohprodukte der Landwirtschaft um, z. B. die Wolle in Tnch. Daher wurde die Einfuhr fremder Erzeugnisse durch Zölle erschwert; die Ausfuhr der Wolle geradezu verboten; denn das eigene Land soll zur Ernährung seiner Arbeiter das, was sein Boden erzeugt, umwandeln. Das Geld soll im Lande bleiben; daher müssen die Unterthanen so wenig wie möglich vom Auslande kaufen, sodann ihre Bedürfnisse aus den Erzeugnissen des Landes befriedigen. Der König sah daher sehr ungern baumwollene oder-seidene Kleider statt der leinenen oder wollenen. Die Stadtbewohner waren vom Kriegsdienste frei.
Friedrich Wilhelm als Schutzherr der Evangelischen. Wie der Vater und der Großvater nahm sich auch dieser König der Evangelischen an, welche damals noch in manchen Ländern bedrängt wurden, so in Österreich, in der Pfalz, besonders aber in Salzburg. Hier hatte der evangelische Glaube Wurzeln geschlagen; in den Gebirgsthälern entstanden zahlreiche evangelische Gemeinden. Der Erzbischof Firmian suchte sie zur katholischen Kirche zurückzuführen und, als das nicht gelang, trieb er erst die losen Leute und dann die Bauern mit Gewalt aus dem Lande. Diese alle lud Friedrich Wilhelm nach Preußen ein. Es kamen an 20000 Salzburger; diese wurden besonders in Ostpreußen angesiedelt. Der König war fromm, aber religiöse Zänkereien waren ihm in der Seele zuwider.
Wissenschaft. Friedrich Wilhelm that sehr viel für die Bildung des Volkes; er errichtete nicht nur viele Schnlanstalten, sondern er führte auch die allgemeine Schulpflicht ein. Freilich fehlte es an gebildeten Lehrern; daher mußten oft ausgediente Unteroffiziere an ihre Stellen treten. Die Kinder sollten schreiben, rechnen und lesen lernen, so viel sie notdürftig brauchten, und in der Bibel und im Katechismus Bescheid wissen. Die Wissenschaften achtete der König nur so weit, als sie sichtbaren Nutzen f(Hufeil, wie die Wundheilkunde. Mit Gelehrten trieb er gern Spott; die Akademie ließ er verkümmern und gab ihr feinen gelehrten Hofnarren zum Präsidenten. Seiner durch und durch deutschen Gesinnung war die französische Sprache, überhaupt das französische Wesen, verhaßt. Die Malerei war die einzige Kunst, die er selbst trieb, besonders wenn er von heftigen Gichtschmerzen geplagt wurde (in tormentis).
Antzere Politik. Friedrich Wilhelm fühlte sich ganz als Fürst des deutschen Reiches; er stand daher in allen äußeren Angelegenheiten fest auf der Seite des Kaisers. Leider wurde er mit Undank belohnt, ja zum Vorteile der österreichischen Hauspolitik ausgenutzt. Der öfter-
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