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1. Bis zum Interregnum - S. 158

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 158 — Kreuze waren über die ganze Christenheit verbreitet, und hätte man sie alle gesammelt, so wären ganze Holzstöße zusammengekommen. Ferner zeigte man Teile von Jesu Gewändern, hie und da auch den ganzen heiligen Rock, sodann auch die heilige Lanze, mit der Christus am Kreuze verwundet worden war, ja sogar Blutstropfen von ihm bewahrte man in kristallenen Gefäßen auf. Großen Wert legte man auf die Gebeine der Heiligen; wenn möglich suchte man die ganze Leiche zu erlangen, doch schätzte man schon sehr den Besitz des Schädels, der Hand oder anderer Knochen. Solche Gegenstände oder leibliche Überreste bezeichnete man als Reliquien. Da mau ihnen wundertätige Kraft zuschrieb, sah man sie als großen Schatz der Kirche an und zeigte sie beim Gottesdienst. In goldenen und silbernen Behältern, den kostbaren Reliquiarieu, die jede Stiftung besaß, wurden sie aufbewahrt, oder Knochen wurden besonders eingefaßt. Große Summen von Gold und Silber, ja Landgebiete gab man zuweilen für einen Schädel oder eine andere angeblich echte Reliquie hin. So war das religiöse Leben des Mittelalters von „Moderdust und Leichengeruch" umweht. Selbstverständlich waren die Äbte und Geistlichen eifrig bestrebt, den Schatz der Reliquien zu vermehren; denn mit dem Reichtum derselben wuchs auch das Ansehen des Klosters oder der Kirche; denn nach Orten mit wertvollen Reliquien wallsahrtete das Volk in großer Zahl. Man schreckte daher auch vor Raub und Diebstahl, vor List und Täuschung nicht zurück, und hatte man dabei Erfolg, so brachte man die Beute jubelnd und singend heim und glaubte, ein gottgefälliges Werk getan zu haben. Lange Zeit lieferte namentlich Italien zahlreiche Reliquien, fo daß dort ein schwunghafter Handel damit getrieben wurde, ehrliche deutsche Käufer sind dort oft genug betrogen worden. Später suchte man anch in Deutschland nach Grabstätten der Heiligen. Es erwies sich nicht weniger ergiebig als Italien, und inart ließ auch hier Gebeine in großer Anzahl auferstehen. So wuchsen die Reliquienschätze ins Unendliche, und manche Kirche zählte die verehrungswürdigen Gegenstände nach Tausenden.
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